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Führung sollten andere Perspektiven, neue Methoden eröffnet werden. Mehr vom Alten führe nicht aus der Krise, so der Experte.

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Im Grunde, sagt Stephan A. Jansen, Präsident der Zeppelin University, gebe es zwei Formen von Führung, die in den 1930er-Jahren unterschieden wurden: "Autorität durch Kontrolle" und die "Dominanz einer Idee". "In den vergangenen Jahren war man der Ansicht, dass Kontrolle das Bessere ist", so Jansen. Wie aber führen wir? Und mit welcher Legitimation bringt man jemand anderen dazu, etwas für einen selbst zu tun?

"Zum einen 'verführen' wir, wir 'süßen'", so der Führungsforscher, "etwa Anreizsysteme mit leistungsabhängigen Boni. Paradoxerweise funktionieren diese 'Süßungen' aber nicht - warum?" 

Wer führt die Führungskraft?

Ähnlich wie bei der Einführung eines Zeiterfassungssystems fühlen sich Mitarbeiter kontrolliert und arbeiten aufgrund dessen weniger. Heißt, dass die Unterstellung, dass diese Verführung notwendig sei, stärker auf die Mitarbeiter wirke als der Anreiz selbst. Verführungen haben zudem den Nachteil, dass die Dosis immer gesteigert werden muss, sagt Jansen.

Verführungen, wie Unternehmen- oder Produktmarken es tun, funktionieren besser: „Marken führen nämlich ganz von allein. Das ist eine Form des Selbstgesprächs auf Märkten, das Versprechen an den Kunden", so Jansen weiter. Darauf fallen Mitarbeiter - im besten Sinne - herein, indem sie versuchen, das Markenversprechen einzuhalten. Auch Geschichten über Unternehmen oder Produkte seien gute Verführungen - sie erzeugen Folgschaft durch Imitationswillen, so Jansen weiter. 

Zum anderen werde auch "entführt". Eine Situation, die dann schlagend werde, wenn Führung nicht mehr im, sondern außerhalb des Hauses passiert - etwa durch Kunden, Kapitalmärkte oder, wie Jansen sagt, auch durch den Nachbarn. Durch die Überlastung von Hierarchien - etwa durch Übernahmen - sei die Führung sozial-komplexer Systeme nicht mehr möglich. Durch eine "Externalisierung" von Führung werde die Hierarchie als "Ordnung des Heiligen" in eine Heterarchie als "Ordnung des Anderen, des Nachbarn umgelegt. Eine Umstellung des Blicks von oben und unten auf den Blick von innen nach außen, so Jansen weiter.

Nicht zuletzt spricht er von "Unterführungen" in Organisationen. Hier gelte es den Blick nicht auf die Führungskraft selbst, sondern auf ihre Referenten, Strategieabteilungen und Pressesprecher zu richten. Jene Menschen und Bereiche, die Korrekturen im Management vollziehen können, also die Führungskraft selbst führen. 

Bewiesen sei, dass mit der Höhe der Position die Informiertheit sinke. Führungskräfte werden "informell immunisiert", "ein CEO ist eine Entscheidungszuschreibungsadresse, kein Entscheider", so Jansen. Problematisch sei, dass Führungskräfte meist gar nicht in die Verlegenheit kommen, ihre Fähigkeiten noch unter Beweis zu stellen, weil es dann nur noch um den Führungswechsel gehe. 

"Wer fragt, der führt"

Wie sieht Führung zur Krisenprävention aus? Jansen: "Der Führende sollte nicht die Organisation befrieden und beruhigen, sondern sie stören. Er sollte Resonanz und Responsivität erzeugen. Führung hieße dann also auch, ein bisschen Überraschung zu erzeugen, die sie in produktive Nöte bringen kann." Hier könnten sich Manager von Unternehmern etwas abschauen, so Jansen weiter.
Ein Paradigmenwechsel scheint Jansen wahrscheinlich: die Feminisierung der Führung.

Rein demografisch und aus dem Bildungssystem betrachtet sei diese nicht mehr aufzuhalten. Führung werde dadurch maßgeblich verändert. "Frauen", so sagt er, „führen offenbar stärker durch Fragen, als Männer es tun. „Männer verstehen in ihren wechselseitigen Hilfestellungen viele Probleme und Fragestellungen selbst nicht mehr", sagt Jansen. Das alte Bonmot „Wer fragt, der führt" könnte also schlagend werden. (Heidi Aichinger, DER STANDARD, Printausgabe, 30./31.5., 1.6.2009)