Wien - Auf 100 Anzeigen wegen Vergewaltigung folgen in Österreich nur 18 Verurteilungen, zeigt eine Studie zweier britischer Wissenschaftlerinnen, die am Freitag in Wien präsentiert worden ist. Auch ein europaweiter Trend trifft auf Österreich zu: Seit Jahren nimmt die Zahl der Anzeigen wegen Vergewaltigungen zu, die Verurteilungsquote sinkt aber. Die steigende Anzeigentendenz setzt sich heuer fort, wie Helmut Greiner vom Bundeskriminalamt weiß: Von Jänner bis April gab es zehn Prozent mehr Anzeigen als 2008.
100 Anzeigen pro EU-Land haben Liz Kelly und Jo Lovett von der "Child and Woman abuse studies unit", die nach Eigendefinition Forschung aus einer feministischen Perspektive betreibt, für ihre Untersuchung analysiert. Während in Schweden über 45 Vergewaltigungen pro 100.000 Einwohner gemeldet werden, sind es beispielsweise in Ungarn, Griechenland und Kroatien nur etwa drei. In Österreich sind es statistisch gesehen 8,5 Anzeigen.
In rund 40 Prozent der in Wien untersuchten Fälle kam es nie zu einem Prozess, da der Täter nicht gefunden wurde. 30 Prozent kamen aus nicht näher untersuchten Gründen nicht vor den Richter, die übrigen 30 Fälle führten zu 18 Verurteilungen. Damit liegt man aber immer noch deutlich besser als Schweden oder England, wo einer sehr hohen Anzeigebereitschaft nur fünf oder sechs Prozent Verurteilungen gegenüberstehen.
Verleumdung von Männern macht entgegen der Einschätzung mancher Polizisten nur einen geringen Teil der Anzeigen aus. In maximal neun Prozent der EU-weiten Fälle war das der Fall. Auch eine Studie der bayrischen Polizei aus dem Jahr 2005 kam auf einen ähnlichen Wert - wenngleich dort Ermittler ausgesagt haben, nicht jede falsche Anzeige werde von Amts wegen verfolgt.
Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie plädiert daher besonders für bessere forensische Beweissicherung nach Attacken, um die Verurteilungsquote zu erhöhen. (Michael Möseneder, DER STANDARD Print-Ausgabe, 30./31.05.2009)