Gabriele Payr möchte künftig die Wiener Infrastruktur weitgehend bei den Stadtwerken angesiedelt sehen.

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Standard: Der Gewinn der Stadtwerke weist einen Einbruch von 80 Prozent auf. Allein bei den Wiener Linien gibt es Verluste von 91 Millionen Euro, größtenteils aus Veranlagungen für Mitarbeiterpensionen. Hat man sich da verzockt?

Payr: Wir haben sehr sichere Veranlagungen, haben aber wie jeder, der Wertpapiere hat, das Problem, dass die Aktienkurse an den Börsen eben zurückgegangen sind. Das bewirkt natürlich eine Verschlechterung des Ergebnisses.

Standard: Haben Sie in Ihrer Veranlagungspolitik auf einen zu hohen Aktienanteil gesetzt?

Payr: Wir müssen für die Pensionen vorsorgen - zum Teil im Geldmarkt, zum Teil im Aktienmarkt. Unsere Fonds sind so strukturiert, dass sie sehr sicher sind. Wir sind nicht in Produkten drinnen, die einmal sehr viel Geld machen und einmal keines. Aus heutiger Sicht konnte ein erheblicher Teil des Verlustes bereits wieder wettgemacht werden. Solange wir nicht verkaufen müssen, weil wir das Geld aus Liquiditätsgründen brauchen, ist das in Wahrheit nur ein Bewertungsproblem und kein echtes Geld, das wir verloren haben.

Standard: Wie lauten die Vorgaben für die Fondsmanager?

Payr: Wir wollen nicht kurzfristig Riesengewinne machen.Wenn wir merken, dass wir beim Geldmarkt besser dran sind, gibt es eine Vorgabe in diese Richtung. Das wird mit den Fondsmanagern laufend diskutiert. Das Kontrollamt hat sogar empfohlen, unser System in anderen Bereichen anzuwenden.

Standard: Wird es wegen der Verluste Fahrpreiserhöhungen geben?

Payr: Nein. Das hat weder Auswirkungen auf die Mitarbeiterpensionen, noch auf die Fahrpreise oder auf den Strompreis.

Standard: Wo sollen die Stadtwerke 2020 stehen?

Payr: Ich hätte gerne, dass wir der Betrieb sind, der weitgehend alle Infrastrukturbereiche der Stadt betreut. Man könnte noch einige Bereiche näher zusammenführen. Die Müllverbrennungsanlage Pfaffenau wird zum Beispiel von uns betrieben, ist aber nicht zur Gänze bei uns im Konzern.

Standard: Die Stadtwerke sind jetzt schon sehr groß. Planen Sie Veränderungen in der Unternehmensstruktur?

Payr: Dass die Lokalbahnen eine unmittelbare Tochter der Stadtwerke geworden sind, war ein sehr wichtiger Schritt. Wir müssen aber auch im Energiebereich neue Schritte setzen. Das Ziel ist, dass es für den Endverbraucher Service und Information aus einer Hand gibt. Doch das ist auf EU-Ebene noch nicht ganz ausdiskutiert.

Standard: Was sollte das zum Beispiel im Bereich Energie für die Konsumenten in Wien bringen?

Payr: Wenn jemand eine Wohnung mit einer alten Ölversorgung hat, kann er dann in das Service Center gehen und sich über eine zeitgemäße Heizung beraten lassen. Auch eine umfassende Beratung über Energiesparmaßnahmen wäre gut.

Standard: Die Wiener Lokalbahnen spüren natürlich auch den Rückgang im Güteraufkommen. Wie reagiert das Unternehmen darauf?

Payr: Dort war es nicht sehr schwierig. Wir standen vor der Entscheidung: Kaufen oder leasen wir weitere Züge, oder sagen wir einigen Kunden, wir können nicht mehr fahren? Diese Entscheidung über eine Erweiterung wurde jetzt aufgeschoben. Aber die Rückgänge betragen schon 15 bis 20 Prozent.

Standard: Werden die Stadtwerke versuchen, aus weiteren Cross-Border-Verträgen auszusteigen?

Payr: Wir haben nur noch wenige Verträge laufen und haben keinen unmittelbaren Handlungsbedarf. Dieser entsteht, wenn eine der Banken das Rating verliert und neue Besicherungsformen gesucht werden müssen. Wenn das passiert, schauen wir, dass wir aussteigen, aber nur, wenn der Preis stimmt.

Standard: Ist Cross-Border-Leasing ein Modell, das noch Zukunft hat?

Payr: Gänzlich ausschließen würde ich das nicht. Hätten wir damals das Geld aufnehmen müssen, dann würden wir noch jetzt zurückzahlen. Dass wir jetzt einen Teil dieses Vorteils wieder rückführen müssen, ist bedauerlich, aber unterm Strich war es immer noch ein Geschäft.

Standard: Wird das Investitionsprogramm nun gebremst vorangetrieben?

Payr: Nein. Die 4,2 Milliarden Euro, die in den nächsten fünf Jahren investiert werden, hängen nicht davon ab.

Standard: Zuletzt gab es Kritik: Alkoholisierte Bimfahrer, Fahrgäste, die beim Aussteigen eingeklemmt wurden. Brauchen die Wiener Linien eine Imagekorrektur?

Payr: Wir haben gerade eine neue PR-Agentur ausgewählt und wollen stärker zeigen, welche Dienstleistungen wir anbieten. Es gab im Fahrdienst jahrelang wirklich kein Problem mit Alkoholismus. Wenn man jetzt ein paar Fälle hintereinander hat, wird es verstärkte Schwerpunktkontrollen geben. Für die Straßenbahnen gibt es seit einem Jahr ein neues Türfühlersystem, das viel sensibler reagiert. Das bauen wir nun bei den al- ten und bei den neuen Fahrzeugen ein.

Standard: Wie viele alte Bimgarnituren sind noch im Einsatz?

Payr: Wir haben derzeit 200 Ulfs, das sind 40 Prozent. Bis 2015 wollen wir außerhalb der Verkehrsspitze durchgängig mit den Niederflurgarnituren unterwegs sein. (Bettina Fernsebner-Kokert, Günther Strobl, DER STANDARD Print-Ausgabe, 30./31.05.2009)