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Foto: Herbert Pfarrhofer, APA

Die Wiener Sikh-Gemeinde zeigt sich immer noch tief betroffen.

Foto: Herbert Pfarrhofer, APA

Wien - Mit einem Becher Tee in der Hand unterhalten sich die Männer leise über das Geschehene. Immer wieder schütteln sie ihre Köpfe. Die Stimmung wirkt an diesem Sonntagvormittag gedrückt vor der kleinen Holzhütte, die derzeit der Gemeinschaft zum "Andenken an Guru Nanak Dev Ji" in Wien-Donaustadt derzeit als Gebetshaus dient. So richtig verarbeitet hat hier noch niemand das unfassbare Verbrechen, das vor genau einer Woche im Ravi Dass-Gebetshaus in der Pelzgasse in Rudolfsheim-Fünfhaus begangen wurde.

Sant Rama Anand (Nand) war am vergangenen Sonntag während der Predigt in dem Gebetshaus der Sikh-Strömung "Dera Sach Khand" in der Pelzgasse in Rudolfsheim-Fünfhaus bei einem Attentat tödlich verletzt worden, als Sant Niranjan Dass, Anführer der hauptsächlich von Dalits (Unberührbaren) getragenen Glaubensrichtung, eine Predigt hielt. Sant Niranjan Dass erlitt Schussverletzungen in Bauch und Hüfte, die er schwer verletzt überlebte. Der Anschlag auf den Glaubensführer hatte zu schweren Unruhen unter den Religionsanhängern in der indischen Provinz Punjab geführt. Mehrere Menschen kamen dabei ums Leben.

Angst vor Reaktionen in Indien

Vor diesem Hintergrund der Gewalt in der Heimat will niemand mit den Medien reden - aus Sicherheitsgründen. Man hat Angst, dass sich solche Äußerungen auch in Indien herumsprechen. "Wir müssen auch an unsere Familien denken", sagen die Sikhs vor dem Gebetshaus zur APA. Nur soviel: "Es ist ein Wahnsinn, was da geschehen ist. Es waren sicher keine Leute, die in Österreich gelebt haben."

Überhaupt habe man nie irgendwelche Probleme gehabt, ist zu hören. Vor knapp 30 Jahren seien die ersten der Sikhs nach Österreich gekommen. Nicht mehr als 15 oder 20 Familien seien es gewesen - 150 Personen, wenn überhaupt.

Was offiziell zu sagen ist, können Interessierte auf den Flugblättern lesen, die am Tor zu dem behelfsmäßigen Gebetshaus angebracht sind. "Offener Brief" steht da, und: "Die Gemeinschaft der Sikh in Österreich ist tief erschüttert über die Gewalttat im Gebetshaus Shri Guru Ravi Dass Sabha. Den Opfern und deren Angehörigen gilt unser aller Anteilnahme."

Sikh fordern Aufklärung

Der Anschlag wird eindeutig verurteilt: "Da eine der Säulen des Sikhismus neben der Nächstenliebe die Gewaltlosigkeit ist, distanziert sich die Gemeinschaft der Sikh in Österreich von diesem Attentat und verurteilt jede Art des Fanatismus. Die Gemeinschaft der Sikh in Österreich fordert die lückenlose Aufklärung dieses feigen Anschlages, basierend auf den Grundlagen des österreichischen Rechtsstaates, zu denen sich die Gemeinschaft der Sikh in Österreichs ohne Vorbehalte bekennt."

Die Stellungnahme ist auch nebenan an dem neuen Gebetshaus angebracht, das Ende Juni eröffnet werden sollte. Diese Eröffnung ist nun aber auf unbestimmte Zeit verschoben.

Dass es für die Sikhs derzeit ein erhöhtes Schutzbedürfnis gibt, verstehen auch die vor dem Gebetshaus wachenden Polizeibeamten. "Auch wenn sie uns gesagt haben, dass es kein Bedrohungspotenzial gibt."

Toter Prediger wird am Dienstag aufgebahrt

Am Sonntagnachmittag klärte die heimische Exekutive mit Vertretern der indischen Botschaft das weitere Prozedere ab: Sant Rama Anand (Nand), der vor einer Woche bei dem Attentat in dem Gebetshaus tödlich verletzte Prediger, wird am kommenden Dienstag am Wiener Zentralfriedhof aufgebahrt. Das teilte die Polizei am Sonntagnachmittag in einer Aussendung mit. Demnach findet die Zeremonie am Dienstag um 16.00 Uhr statt. Ein entsprechender Wunsch war in den vergangenen Tagen in der Gemeinde der Gläubigen vielfach geäußert worden.

Die gerichtsmedizinische Untersuchung war Ende der Woche abgeschlossen worden, der Leichnam des Predigers damit freigegeben. Für die Sicherheit während der Zeremonie sollen die Wiener Polizei, im Besonderen das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), sorgen.

Gebetshaus wird bald wieder übergeben

Laut Polizei befindet sich unterdessen Sant Niranjan Dass, Anführer der hauptsächlich von Dalits (Unberührbaren) getragenen Glaubensrichtung, auf dem Weg der Besserung. Er war durch Schüsse in Bauch und Hüfte verletzt worden, als er in dem Gebetshaus eine Predigt hielt. Laut Auskunft seiner behandelten Ärzte könnte er bis Ende kommender Woche für seine Heimreise transportfähig sein.

Der Tatort in der Pelzgasse soll bis Mitte oder Ende kommender Woche geordnet an die Betreiber des Gebetshauses übergeben werden. Dabei werden auch persönliche Gegenstände, besonders Schuhe und Kleidungsstücke, welche die Gläubigen bei ihrer teils panikartigen Flucht zurückgelassen hatten, retourniert.

Neue Erkenntnisse gab es unterdessen nicht. Ob die in der vergangenen Woche aufgetauchten Bekennerschreiben authentisch oder eher Trittbrettfahrern zuzuordnen sind, war weiter offen. Bei den Ermittlern herrscht in dieser Frage aber Skepsis. (APA)