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"Rechnitz (Der Würgeengel)", vergangenen Oktober in den Münchner Kammerspielen

Foto: APA/EPA/TOBIAS HASE

Mülheim - Elfriede Jelinek ist im deutschen Mülheim zur Dramatikerin des Jahres 2009 erkoren worden. Die österreichische Nobelpreisträgerin konnte die Stimmen von vier der fünf Juroren des mit 15.000 Euro dotierten Mülheimer Dramatikerpreises für ihr Schauspiel "Rechnitz (Der Würgeengel)" gewinnen. Ein Auswahlgremium hatte aus 130 Stücken, die im vergangenen Jahr im deutschsprachigen Raum uraufgeführt wurden, sieben ausgewählt und nach Mülheim an der Ruhr eingeladen. Jelinek erhält den Dramatikerpreis schon zum dritten Mal, dreizehn ihrer Stücke wurden bisher eingeladen.

Jelineks "Rechnitz" wurde im vergangenen Herbst in den Münchner Kammerspielen in der Inszenierung von Jossi Wieler uraufgeführt. Betitelt ist es nach dem burgenländischen Ort Rechnitz, unweit der ungarischen Grenze, wo Gräfin Batthyany kurz vor Kriegsende ein Fest mit nationalsozialistischen Funktionären gefeiert haben soll. Ein Teil der Gäste bekam Waffen, mit denen jüdisch-ungarische Zwangsarbeiter ermordet wurden. Das Verbrechen wurde verschwiegen, die Aufklärung behindert, die Schuldigen nie zur Rechenschaft gezogen. In ihrem Stück beschreibt Jelinek nicht das Verbrechen selbst, sondern die Art des Verschweigens und den heimlich-unheimlichen Genuss am Töten.

Öffentliche Diskussion

Roland Schimmelpfennig konnte in Mülheim mit "Hier und Jetzt" ein Votum für sich verbuchen. Oliver Bukowski bekam viel Anerkennung für seine "Kritische Masse", ein Stück über die Ratlosigkeit ins soziale Abseits gedrängter Menschen. Das Publikum erkannte seinen Preis Rene Pollesch für "Fantasma" zu, eine Farce über die (Un)Möglichkeit, philosophische Überzeugungen und Privatleben miteinander zu vereinbaren. Die fünfköpfige Jury in Mülheim, die den Dramatiker des Jahres wählt, diskutiert nicht hinter verschlossener Tür, sondern öffentlich und nahm sich ausreichend Zeit für jedes Stück - erst um ein uhr morgens stand die Preisträgerin fest.

Dass Jelinek den Preis bereits zum dritten Mal erhalten hat, zeigt für SPÖ-Kultursprecherin Christine Muttonen, "dass Jelinek mit großer Beständigkeit Stücke von hoher Qualität schreibt, die völlig zu Recht zu den großen Erfolgen auf den Theaterbühnen gehören". Auch in "Rechnitz" widme sie sich "ihrem Lebensthema, nämlich dem Anschreiben gegen Missstände im öffentlichen und politischen Leben". Mit diesem Stück "gegen die Verharmlosung und Leugnung von nationalsozialistischen Verbrechen" habe sich Jelinek "einmal mehr als engagierte und unermüdliche Mahnerin gegen die Gefahren von Rechts" erwiesen.

Der Intendant des Berliner Ensembles, Claus Peymann, hat die Vergabe des Preises kritisiert. "Die Jelinek kriegt diesen Preis jetzt zum dritten Mal, und ich finde: Einmal wäre auch gut gewesen", sagte Peymann am Mittwoch im Deutschlandradio Kultur. Nach Ansicht Peymanns hat Jelinek in den vergangenen Jahren, vor allem nach der Verleihung des Literaturnobelpreises 2004, keine richtigen Dramen mehr geschrieben, sondern häufe Berge von Material an und produziere Textwürste.
(APA/dpa)