Wien/London/Hamburg - Im Irak kommt es angeblich seit Wochen immer häufiger zu offenem Widerstand gegen Saddam Hussein. Saboteure machen sich unbestätigten Medienberichten zufolge an Eisenbahnschienen zu schaffen und Demonstranten fordern den Rücktritt des Diktators - Protestakte, die zwischen Euphrat und Tigris das Leben kosten können.
Der bisher offensichtlichste Sabotageakt passierte kürzlich nur wenige Kilometer von der nordirakischen Stadt Mosul entfernt. Mitglieder der irakischen Opposition sprengten ein Stück Eisenbahnschiene heraus. Wie "Spiegel-Online" unter Berufung auf den Londoner "Daily Telegraph" meldete, entgleiste daraufhin ein Zug. "Bis vor kurzem", zitiert die britische Zeitung einen Mitarbeiter des Außenministeriums, "war solch offener Widerstand sehr selten und wurde hart bestraft. Aber seit Saddam seine Energie darauf konzentriert, sein Regime vor einem Krieg zu schützen, wird die irakische Opposition waghalsiger."
Bevor die Saboteure zurück zu ihrer Basis im kurdischen Teil des Iraks flüchteten, verteilten sie einen Stapel Flugblätter neben den Gleisen. Darin forderten sie die irakischen Soldaten, die den Vorfall untersuchen sollten, auf, der "Internationalen Allianz zur Befreiung des Iraks" beizutreten, um das Land von "Saddam, dem Kriminellen" zu befreien. Bei einem ähnlichen Zwischenfall feuerten Regime-Gegner eine Panzerabwehrrakete auf einen Zug, der illegal Treibstoff von Bagdad nach Syrien liefern sollte, heißt es in dem britischen Zeitungsbericht.
Die einzige Region, in der Saddam Hussein sich demzufolge noch auf die Loyalität seiner Sicherheitskräfte verlassen kann, ist das Kernland der Baath-Partei rund um Bagdad. In einem Versuch, seine Autorität wiederzuerlangen, hat Saddam letzte Woche eine Anweisung herausgegeben, die jedem Iraker befiehlt, seine Stellung zu halten und nicht aus dem Land zu flüchten.
Fluchtwilligem Funktionär Zunge herausgeschnitten
Um ein Exempel zu statuieren, hätten Mitglieder von Saddams Sicherheitskräften im Bagdader Stadtteil al-Hurriyya einen Staatsbediensteten festgenommen, der im Verdacht stand, das Land verlassen zu wollen, berichtet der "Daily Telegraph". Der Beamte sei an einen Pfahl auf der Straße gebunden worden. Passanten sollen anschließend gezwungen worden sein, dabei zuzusehen, wie dem Mann die Zunge herausgeschnitten worden sei und er verblutet sei.
Es gibt Berichte, wonach es im nordirakischen Kirkuk eine Großdemonstration gegeben haben soll. 20.000 Menschen sollen vor dem Büro der regierenden Baath-Partei den Sturz Saddams gefordert haben. Bilder des Diktators wurden von der Wand gerissen und eine Rakete soll das Gebäude getroffen haben. Ein hoher Parteikader soll getötet worden sein.
Unbestätigten Berichten zufolge soll es in der Stadt Kerbala letztes Wochenende eine Demonstration von irakischen Schiiten gegeben haben, die von regimetreuen Milizen brutal niedergeschlagen wurde.
Die Zunahme der Angriffe der irakischen Opposition wird von einem ausgedehnten anti-Saddam-Vandalismus begleitet. Bilder des irakischen Präsidenten, die an jedes öffentliche Gebäude gemalt wurden, werden im ganzen Land zerstört und entstellt. Bis vor kurzem riskierte jeder, der so etwas tat, die Todesstrafe. Doch die Zunahme solch offenen Widerstands gegen Saddam und sein Regime zeigen die wachsende Zuversicht der wichtigsten irakischen Oppositionsgruppen. (APA)