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Wien - Die starke Zunahme der Zahl von Gefängnisinsassen in Österreich sorgt für heftige Diskussionen über Ursachen und Gegenmaßnahmen. "Wir müssen uns schleunigst was überlegen, denn Häftlinge in aufgelassene Kasernen zu pferchen kann wohl keine Alternative sein", warnt Andreas Zembaty vom Bewährungshilfeverein Neustart. Ein Hauptgrund dafür, dass Österreichs Gefängnisse voll seien, liege darin, dass mit dem Instrumentarium "bedingte Haftentlassung" zu sparsam umgegangen werde. "Entgegen der landläufigen Meinung müssen 80 Prozent aller Verurteilen ihre Strafe bis zum letzten Tag absitzen", so Zembaty.
"Notprogramm"
Wie berichtet, ist der langjährige Durchschnitt von rund 7000 Insassen im Vorjahr auf knapp 8000 gestiegen. Damit sei die Kapazität von Justizanstalten erschöpft, sagte Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ). Er kündigte ein "Notprogramm" an, um bei Bedarf mehr Raum für den Strafvollzug schaffen.
Laut Justizministerium seien vor allem Verhaftungen wegen Drogenkonsums enorm gestiegen - von 2000 bis September 2002 um sechzig Prozent. Noch höher, nämlich um 86 Prozent auf 1300 Verhaftungen, fiel der Zuwachs bei gewerbsmäßigem Diebstahl aus. Beim genaueren Blick auf die Altersstruktur der Verhafteten fällt auf, dass die starke Zunahme in erster Linie Jugendliche (plus 60 Prozent) und junge Erwachsene zwischen 18 und 21 (plus 35 Prozent) betraf.
Kinder verlieren Orientierung
Monika Pinterits von der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft sieht die Gründe im "Law-and-Order-Kurs" der schwarz-blauen Regierung. "Immer mehr Kids verlieren die Orientierung und dafür wandern sie frühzeitig hinter Gitter", so Pinterits. Sie plädiert dafür, mehr Geld in Prävention als in Gefängnismauern zu stecken.
Der private Verein Neustart betreut mit 700 hauptamtlichen und sechshundert ehrenamtlichen Mitarbeitern 28.000 Klienten in ganz Österreich. Neben der klassischen Bewährungs- und Haftentlassenenhilfe kümmert sich der Verein auch um Kriminalitätsopfer. Seit kurzem gibt es auch einen Internetservice: Unter der E-Mail-
Adresse beratung@neustart.at stehen insgesamt 15 Experten aus den Bereichen Sozialarbeit, Psychologie und Recht zur Verfügung. Onlineanfragen werden im Normalfall innerhalb von 24 Stunden beantwortet. (Michael Simoner/DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2003)