Wien - Der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Vorsitzende Michael Häupl will nun auch auf Bundesebene Ausländern das aktive und das passive Wahlrecht zukommen lassen. Im Gespräch mit der "Presse" (Dienstag-Ausgabe) begründet er diesen Vorstoß mit den Auseindersetzungen der Stadt Wien und dem Bund um das geplante Wahlrecht für Nicht-EU-Bürger auf Bezirksebene. Häupl: "Mir wäre es lieber, wenn wir das Ausländerwahlrecht nicht in Wien regeln müssten und dafür das Höchstgericht brauchen, sondern wenn es eine einheitliche Regelung auf Bundesebene geben würde."

Das Wiener Ausländerwahlrecht auf Bezirksebene wurde am 13. Dezember 2002 im Stadtparlament beschlossen. Die Bundesregierung hat dagegen Einspruch erhoben. Dies bedeutet aber lediglich eine Verzögerung: Durch den angekündigten Beharrungsbeschluss kann der Landtag das Gesetz trotzdem in Kraft setzen. Den Gegnern bliebe dann noch der Gang zum Verfassungsgerichtshof. Die Wiener Regelung sieht vor, dass Nicht-EU-Bürger, die seit mindestens fünf Jahren in Wien leben, das aktive und passive Wahlrecht auf Bezirksebene bekommen. Das bedeutet, dass sie auch in die Bezirksräte gewählt werden können. Verwehrt bleibt ihnen nur das Amt das Bezirksverstehers.

Zeitspanne zu diskutieren

Häupl wünscht sich diese Rechte nun auch auf Bundesebene und ausdrücklich auch für Nationalratswahlen. Hier könne man freilich darüber diskutieren, nach welcher Zeitspanne eines Aufenthalts in Österreich Ausländern das Wahlrecht gegeben wird. "In Wien haben wir uns auf fünf Jahre geeinigt. Ich möchte nicht, dass es künftig zu einer Unterscheidung kommt und bestimmte Gruppen nach drei Jahren, manche nach fünf Jahren und andere vielleicht erst nach acht Jahren wählen dürfen." Das müsse einheitlich geregelt sein, fordert der Stellvertreter von SP-Bundeschef Alfred Gusenbauer.

Beim passiven Wahlrecht kann sich Häupl aber eine unterschiedliche Zeitvorgabe vorstellen. "Es gibt ja auch bei Österreichern einen Altersunterschied zwischen aktivem und passivem Wahlrecht."

Insgesamt halte er eine Diskussion über die Frage des Ausländerwahlrechts für "notwendig". Häupl betont: "Mich stört, dass man in dieser Frage so verkrampft reagiert. Wenn man das Thema Ausländerwahlrecht nur anschneidet, macht der Khol (Andreas, Nationalratspräsident, VP, Anm.) ja gleich einen Exorzismus."

FP-Kabas: "Absurd und verfassungswidrig"

Häupl erntet für seinen Vorschlag prompt Kritik von FPÖ und ÖVP. Die Forderung lasse an "Absurdität kaum etwas zu wünschen übrig und ist eindeutig verfassungswidrig", meinte etwa Wiens FP-Chef Hilmar Kabas am Dienstag in einer Aussendung. Der Wiener ÖVP-Chef Alfred Finz warnte vor einer "Aushöhlung der Staatsbürgerschaft".

Abgesehen davon, dass ein Ausländerwahlrecht - und zwar auf allen Ebenen - zu massiven Benachteiligungen der österreichischen Staatsbürger führen würde, sei es auch gegen jegliche Integrationspolitik gerichtet, meinte Kabas. Für Ausländer gehe noch mehr an Anreiz verloren, sich zu integrieren und dann in weiterer Folge die Staatsbürgerschaft und damit das Wahlrecht zu erhalten, vermutete der FP-Chef.

Finz: "Aushölung" der Staatsbürgerschaft

"Das demokratische Mitbestimmungsrecht am staatlichen Gemeinwesen ist eines der wesentlichsten Elemente des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts. Eine Entkoppelung würde zu einer Aushöhlung des hohen Gutes Staatsbürgerschaft führen", zeigte sich der Wiener ÖVP-Chef Alfred Finz überzeugt. Das Wahlrecht sei nicht als Menschenrecht, sondern als Staatsbürgerschaftsrecht zu betrachten.

Schon die Einführung des Wiener Ausländerwahlrechts auf Bezirksebene zeige, welche Probleme damit verbunden sind. "Denn mit diesem Beschluss schafft die SPÖ eine Zwei-Klassen-Gesellschaft in Wien, wenn Ausländer zwar zur Wahl gehen dürfen, aber nicht das volle passive Wahlrecht besitzen und zum Beispiel nicht Bezirksvorsteher werden können", so Finz in einer Aussendung. (APA)