Wenn Österreich so EU-müde ist, wie alle behaupten, dann war dieser Wahlkampf das Gute-Nacht-Lied. Und falls sich am kommenden Sonntag eine Minderheit der Wahlberechtigten doch noch aufraffen wird, ein Kreuz zu machen, dann wohl aus den falschen Gründen. Schließlich suggerierten alle Parteien - mit Ausnahme der Grünen -, es gehe um Österreich: FPÖ und BZÖ, weil sie nicht anders können, SPÖ und ÖVP, weil sie es für populär halten.

Während Hannes Swoboda einigermaßen unkoordiniert alle Wendungen seiner SPÖ mitturnte, verkündete der "christlich-soziale" (Selbstdefinition) Ernst Strasser, er werde seinen Lebensmittelpunkt "selbstverständlich in Wien" behalten. Patriotismus schafft Stimmen. Was die Großparteien vergessen (oder in Kauf nehmen): In Sachen Populismus sind ihnen die hemmungslosen Rechtsparteien immer zwei Schritte voraus. Ein roter bzw. schwarzer Wahlerfolg besteht augenscheinlich schon darin, wenn die selbsternannten Kreuzritter und "Volksanwälte" möglichst wenig vom Wählerkuchen wegknabbern.

Noch gefährlicher ist, wenn sich die Entscheidungsträger dieser Wahlkampflogik fügen. Motto: Wahlkampf ist immer irgendwo, Populismus stets en vogue. Zur Erinnerung: Im Nationalratswahlkampf wurde trefflich über eine fragwürdige Mehrwertsteuersenkung auf Lebensmittel gestritten, während die Wirtschaftskrise längst nach Europa schwappte. Im EU-Wahlkampf stehen heute Türkei-Beitritt (in 15 Jahren?) und Grenzüberwachung (wie vor 15 Jahren) auf der Tagesordnung. Die Regierung macht ihren EU-Kandidaten dabei noch Mut zur Themenverfehlung.

Auf den Plakaten überlagern "Österreich"-Floskeln vernünftige Ansätze. Der Herrscher über die politischen Symbole heißt aber H.-C. Strache. Das ominöse Bild mit Kruzifix, das die Themenführerschaft der FPÖ beflügelte, stammt übrigens von der Anti-Islam-Demo in Wien-Brigittenau. Ein Grätzel-Problem also. Dass damit die Spitze des Provinzialismus im EU-Wahlkampf erreicht war, fiel nicht weiter auf. (Lukas Kapeller, derStandard.at, 4.6.2009)