Wien - Das Mehr an Arbeit ist im Bioweinbau teilweise hoch, das Risiko eines Ernteausfalls besonders in schwierigen Jahren wie 2008 nicht unbeträchtlich, und eine Umstellung kostet. Dennoch entschließen sich immer mehr österreichische Winzer, ihre Weingärten biologisch zu bewirtschaften. Nachdem der Bioweinbau in den 1980ern und 90ern einigen einzeln oder in Kleinstgruppen kämpfenden Pionieren vorbehalten blieb, die sich oft als verrückt und abgehoben bezeichnen lassen durften, setzte vor vier, fünf Jahren ein richtiger Trend ein. Nicht wenige österreichische Leitbetriebe beschlossen, auf der Suche nach einer Verbesserung der Weinqualitäten, ihre Rebflächen biologisch zu bewirtschaften. 2008 waren es laut Bio Austria genau 2447 Hektar, etwa fünf Prozent, die biologisch bewirtschaftet wurden. Mit 2009, so schätzt der Dachverband, werden es etwa 7,5, wenn nicht acht Prozent aller österreichischen Rebflächen sein. Grund: Viele Betriebe, die bisher als "Umstellungsbetriebe" galten und daher statistisch noch nicht relevant waren, dürfen sich ab heurigem Jahrgang zertifiziert nennen.

Bio ist in Österreich im Lebensmittelbereich nach wie vor gefragt und bringt Supermarktketten gediegene Zuwachsraten. Bei der Vermarktung von Wein spielen Umwelt- und Nachhaltigkeits-Argumente nur eine geringe Rolle. Ausschlaggebend ist in erster Linie der Produzentenname, der zur Marke wurde, "bio" auf dem Wein-etikett zieht weit weniger als auf der Karotte. Eine Bio-Zertifizierung wird als Zusatznutzen gern hingenommen, ist aber für die Kaufentscheidung wenig ausschlaggebend.

Dass man biologisch arbeitenden Winzern gern vorwirft, nur aus verkaufstechnischen Überlegungen umgestiegen zu sein, zielt ins Leere. Auf die Preisbildung hat "bio" kaum Einfluss, da Mehraufwand durch Einsparungen ausgeglichen werden kann. Im konventionellen Weinbau sind beispielsweise Spritzmittel ein nicht unbeträchtlicher Kostenfaktor.

Der Begriff Nachhaltigkeit, der nicht zwingend an eine Bio-Zertifizierung gekoppelt ist, fällt im Weinbereich häufig. Armin Gemmrich, Professor für Umweltmanagement im Studiengang Weinbetriebswirtschaft der Hochschule Heilbronn, definiert ihn im Fachmagazin Der Winzer als "Dreieck", zu dem "der Mensch, die Wirtschaftlichkeit der ergriffenen Maßnahmen und die Schonung der Umwelt" gehören.

Als Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit bezeichnet Gemmrich übrigens Länder wie Kalifornien, Australien und Südafrika, die von der "Alten" Weinwelt Europa gerne als "techniklastig" und "Industrieweinländer" abgetan werden, wo klare und nachvollziehbare Richtlinien zur nachhaltigen Bewirtschaftung teils länger als in Europa existierten.

Auch Großbetriebe wie Fetzer in Kalifornien mit dem Bio-Ableger Bonterra arbeiten seit den 1980ern nach einem ganzheitlichen Konzept. In Neuseeland z. B. wurde 1995 das erste Projekt zu "Sustainable Winegrowing" gegründet. Das Land, in dem heute etwa 60 Prozent aller Rebflächen nach den - neuseeländischen - Regeln der Nachhaltigkeit bewirtschaftet werden, schuf sich laut Gemmrich einen Vermarktungsvorteil, indem es "grean and clean" erzeugten Wein global vermarktete.

Weinfachleute glauben, dass die Trennlinien im Weinbereich in Zukunft weniger zwischen "bio" und "nicht-bio", sondern zwischen industriell und handwerklich hergestelltem Wein verlaufen werden, was nicht größenabhängig sein muss: Industriebetriebe mit rationalisierendem Maschineneinsatz in Weingarten und Keller und marktorientiertem Sortiment stehen kleinteiligeren Strukturen gegenüber. Deren Basis sind familiär geführte Betriebe mit flachen Hierarchien, wo mit viel handwerklicher Arbeit individuell gearbeitet wird. (Luzia Schrampf, DER STANDARD, Printausgabe, 5.6.2009)