"Westliche" Kleidung, "traditionelles" Kopftuch: Die Bekleidungspraxis von Musliminnen in Österreich ist oftmals bunt - und keineswegs eindeutig einzuordnen

DER STANDARD/Heribert Corn

Wien - Der aggressive EU-Wahlkampf der FPÖ ("Abendland in Christenhand") habe Ressentiments gegen Muslime geschürt, sagt Carla Baghajati, Sprecherin der Islamischen Glaubensgemeinschaft. Sogar tätliche Angriffe habe es in den vergangenen Wochen gegeben: "Einer Studentin wurde auf dem Heimweg in Wien das Kopftuch heruntergerissen, ihr Schädel mit einer Flüssigkeit übergossen. Eine weitere Kopftuchträgerin wurde auf einem Bahnsteig der Schnellbahn bespuckt."

Bei der Anti-Rassismus-Gruppe Zara bestätigt man den ersten Fall, der Übergriff sei auch zur Anzeige gebracht worden. Außerdem, sagt Berater Stefan Radinger, habe es dutzende Beschwerden "wegen der diskriminierenden FPÖ-Wahlplakate" gegeben.

Dass vor allem Kopftuchträgerinnen Vorurteile gegen Muslime zu spüren bekommen, sei nicht neu, meint Baghajati. Doch mit dieser wahrscheinlich gängigen Ansicht widerspricht sie einer Studie der in Wien ansässigen EU-Grundrechtsagentur (FRA) über die Lage der Muslime in der Union. Die vor kurzem präsentierte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Gallup in allen 27 EU-Mitgliedsstaaten ergab, dass 30 Prozent aller muslimischen Migranten und ihrer Nachkommen in den zwölf Monaten vor dem Interview, laut eigenen Angaben, diskriminiert wurden. In Österreich fühlten sich nur zehn Prozent der befragten Männer und Frauen benachteiligt - dies ist die zweitniedrigste Rate in der EU.

"Doch bei den Frauen machte es EU-weit keinen Unterschied, ob sie ein muslimisches Kopftuch trugen oder nicht. Die Diskriminierungsrate war jeweils gleich", sagt Ioannis Dimitrakopoulos, Ko-Koordinator der Studie. Dieses Ergebnis sei "für alle Experten überraschend gekommen", gesteht er.

Konservative Community

Für die Muslimenstudie war in jedem Mitgliedsstaat die zahlenmäßig stärkste Gruppe von Migranten befragt worden, in Österreich die türkische Community. Diese stellte sich bei den weiblichen Bekleidungsbräuchen als konservativste in der gesamten EU heraus: 64 Prozent aller befragten Frauen mit türkischem Migrationshintergrund gaben an, "traditionelle oder religiöse Kleidung inklusive Kopftuch" zu tragen. Dimitrakopoulos: "In Deutschland, wo ebenfalls die türkische Community befragt wurde, waren es 27 Prozent".

Auch die Lebensumstände der österreichischen Musliminnen sind laut Studie überwiegend traditionell: 51 Prozent gaben an, Hausfrau zu sein; in Deutschland sagten das 29 Prozent von sich.

"Das Kopftuch ist unter Musliminnen in Österreich derzeit schwer in Mode. Das ist weniger ein religiöses als ein soziales Phänomen, das den Wunsch nach Zugehörigkeit ausdrückt", kommentiert Tamar Citak von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt die Ergebnisse. Während Glaubensgemeinschaftssprecherin Baghajati den hohen Kopftuchträgerinnenanteil als "Zeichen für das bisher gute Auskommen der Muslime in Österreich" sieht. Dieses sei jetzt "hoffentlich nicht in Gefahr". (Irene Brickner/DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.6.2009)