Haushaltsgegenstände von vertriebenen Donauschwaben, vergraben in der trügerischen Hoffnung auf eine Rückkehr.

Foto: Csilla Dávid

Der Nagelbaum von Pancevo, (Pantschowa), in den frischgebackene Gesellen nach ihrer Wanderschaft durch Europa einen Nagel einschlagen mussten.

Foto: Csilla Dávid

Mit der Gestaltung schreiben die Kuratoren selbst Geschichte.

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Novi Sad / Budapest - Rund 400.000 Deutsche lebten vor 1945 in der nördlichen serbischen Region Vojvodina. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden fast alle Donauschwaben, wie die Deutschstämmigen wegen ihrer Herkunft aus dem süddeutschen Raum genannt wurden, vertrieben. Tausende starben in Lagern oder auf Todesmärschen. Im titoistischen Jugoslawien war ihr Schicksal tabu. Aber auch nach dem blutigen Zerfall des Landes wollte immer noch niemand so richtig darüber sprechen.

Umso verdienstvoller ist es, dass das staatliche Museum der Vojvodina seit Mitte Mai in der repräsentativen Schau Zavicaj na Dunavu / Daheim an der Donau erstmals Geschichte und Kultur der Donauschwaben zeigt. In neun Abschnitten werden alle Stationen der deutschen Präsenz in der Vojvodina, von der Ansiedlung vor 300 Jahren bis zur tragischen Vertreibung, dargestellt. Kuratiert wurde die Ausstellung zusammen mit Experten des Donauschwäbischen Zentrums in Ulm, wobei es auf bemerkenswerte Weise gelungen ist, eine gemeinsame Sicht auf die bisher höchst umstrittene Geschichte dieser Volksgruppe zu entwickeln.

Die Vojvodina ist eine alte europäische Schnittstelle. In ihren Städten und Dörfern etablierte sich eine Art multiethnische Zivilisation bereits zu einer Zeit, als niemand den Begriff verwendet hätte. Dies war nicht nur eine Folge der schon rein geografischen Offenheit. Nach den Türkenkriegen an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert waren weite Teile Pannoniens, darunter das heutige Ungarn, verwüstet und menschenleer. Kaiserin Maria Theresia rief Bauern und Handwerker aus ganz Mitteleuropa dazu auf, sich in der strategisch wichtigen - aus Wiener Sicht südlichen - Provinz Vojvodina niederzulassen. Aus dem Kosovo, wo ein von Österreich unterstützter serbischer Aufstand gegen die Osmanen gescheitert war, kamen Tausende orthodoxe Serben.

Das Neben- und Miteinander von Serben und Deutschen, Ungarn, Juden, Kroaten, Tschechen, Slowaken, Ruthenen und Bulgaren konstituierte in den nächsten zwei Jahrhunderten eine Selbstverständlichkeit. Die Nazi-Herrschaft auch über diesen Teil Europas bedeutete aber die Liquidierung des Judentums, neben der Ermordung zehntausender Serben. Die Rache von Titos Partisanen brachte das Ende des Deutschtums.

Mit der Ausstellung leistet das Museum der Vojvodina einen enormen Beitrag zur Wiederaneignung der ganzen Identität und Geschichte dieser Region. Der Blick ist unverstellt, nichts bleibt ausgespart. Auch der sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Ansatz findet Berücksichtigung. Der Nagelbaum aus Pancevo (dt. Pantschowa) aus dem Jahr 1869 erinnert an den schönen Brauch, dem zufolge die frischgebackenen Gesellen nach ihrer Wanderung durch Europa in das knorrige Stück Holz einen Nagel einschlagen mussten.

Zu sehen ist aber auch der "Sühneerlaß" des Wehrmachtskommandeurs für Serbien, Franz Böhme, dem zufolge für jeden getöteten deutschen Soldaten 100 Zivilisten zu erschießen seien. Erschütternd die Exponate, die von der Vertreibung künden: vergrabene Haushaltsutensilien, zurückgelassen im frommen Glauben, dass vielleicht doch eine Heimkehr möglich wäre, oder die Flasche, in der jemand die auf einen Zettel gekritzelte Nachricht hinterließ, dass sein 13-jähriges Kind im Lager starb.

"Beide Seiten sind einen zum Teil mühsamen Weg gegangen, um die Sichtweise des anderen zu verstehen" , beschrieb Christian Glass, der Leiter des Donauschwäbischen Zentralmuseums, bei der Eröffnung die Zusammenarbeit mit den serbischen Kollegen. "Dabei entpuppte sich manchmal die eigene Überzeugung als ein Vorurteil." Das Ergebnis spricht für sich. "Daheim" mag historisch vorbei sein, aber in der Gegenwart hat es wieder eine Geschichte. (Gregor Mayer/DER STANDARD, Printausgabe, 9.6.2009)