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Farbkübel und Schlauchboot gegen Polizeisperre: Proteste gegen den Gaddafi-Besuch in Rom

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Muammar Gaddafi findet, dass der italienische Premier Silvio Berlusconi "Mut und einen eisernen Charakter" hat. Berlusconi bescheinigt dem libyschen Revolutionsführer "tiefe Weisheit". Foto: Reuters

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In Rom stößt der Besuch des libyschen Staatschefs Muammar Gaddafi auf wenig Freude. Gaddafi kam in groteskem Aufputz und erklärte, Libyen sei gegen den Terrorismus. Die Sicherheitsvorkehrungen legten die Stadt lahm.

Hunderte Jogger, die sich am Mittwoch im Park der Villa Pamphili zum gewohnten Morgensport einfanden, mussten verärgert wieder abziehen. Nur Polizisten ist in diesen Tagen der Zugang zum größten Park der Stadt gestattet. Malerisch unter Platanen steht dort das Beduinenzelt eines Staatsgastes, den Italien wie einen Star empfängt.

Als der von einem Hexenschuss geplagte Premier Silvio Berlusconi sich am Flughafen durch Außenminister Franco Frattini vertreten lassen wollte, drohte Gaddafi mit Rückkehr nach Tripolis. An die pittoreske Gala-Uniform, in der er dem Flugzeug entstieg, hatte der Staatschef ein Foto des "Wüstenlöwen" Omar Mukhtar geheftet, der den Widerstand der Beduinen gegen das faschistische Kolonialheer angeführt hatte und von den Italienern hingerichtet worden war. Heftige Polemiken und Proteste begleiten also den historischen Besuch. So musste die geplante Rede des Gastes im Senat nach einer Boykottdrohung des Partito Democratico in ein anderes Gebäude verlegt werden. Die ehemalige EU-Kommissarin Emma Bonino hatte die Rede des Dikators im Senat, wo bisher nur UNO-Generalsekretär Kofi Annan und der spanische König Juan Carlos sprechen durften, als "Skandal" gebrandmarkt.

Der Christdemokrat Pier Ferdinando Casini sah in den Begleitumständen des Besuchs eine "Verletzung der Würde des italienischen Staates". Gaddafi sprach vom "Anbruch einer neuen Ära" zwischen den beiden Ländern. "Ich bin hier, weil sich Italien für die Gräuel der Kolonialzeit entschuldigt hat und zur Wiedergutmachung bereit ist", erklärte er auf einer Pressekonferenz mit Berlusconi, dem er "Mut und eisernen Charakter" zubilligte. Der Cavaliere bescheinigte Gaddafi "tiefe Weisheit" und bestätigte, dass der Gast in drei Wochen erneut nach Italien kommen werde, um am G-8-Gipfel in L'Aquila teilzunehmen.

Im Senat versicherte der libysche Staatschef, sein Land sei gegen den Terrorismus. Man müsse sich jedoch bemühen, "die vielschichtigen Wurzeln dieses Phänomens" zu begreifen. Dazu bedürfe es des Dialogs, "falls erforderlich auch mit dem Teufel". Einige Senatoren der Opposition hatten Fotos der nach einem libyschen Attentat abgestürzten PanAm-Maschine an die Jacken geheftet. Die Beziehungen zwischen Italien und Libyen galten seit dem Amtsantritt Gaddafis im Jahr 1969 als schwierig und haben sich erst in den vergangenen Jahren verbessert. Libyen wird nach einem im Vorjahr geschlossenen Freundschaftsvertrag von Italien nun für die Zeit der Kolonialisierung von 1911 bis 1943 entschädigt.

Fünf Milliarden Dollar

Der Vertrag zwischen Rom und Tripolis sieht in Libyen italienische Investitionen in Höhe von fast fünf Milliarden Dollar vor. Der nordafrikanische Staat hält in Italien Beteiligungen an der UniCredit-Bank, dem Ölkonzern ENI und an Juventus Turin.

Gaddafi kündigte nun bei seinem Besuch in Rom an, sein Land bemühe sich um ein Abkommen zur Beilegung der Piraterie vor der somalischen Küste. Dazu müsse die Plünderung des Meeres durch ausländische Fischereiflotten eingestellt werden. Tripolis halte sich an das Abkommen zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms nach Lampedusa: "Würden wir auf Amnesty International hören, käme bald ganz Afrika nach Italien".

Als Gaddafi zu einer Diskussion an der Universität La Sapienza eintraf, kam es am Donnerstag zu Auseinandersetzungen zwischen Studenten und einem Großaufgebot der Polizei. Der Rektor verlieh dem Staatsgast die Ehrendoktorwürde, dann antwortete Gaddafi auf die Fragen der im Hörsaal versammelten Studenten.

Am Abend wollte Gaddafi auf dem Kapitol zu den Römern sprechen, am Freitag ist ein Treffen mit 700 Frauen aus Wirtschaft, Politik und Kultur geplant. Den Römern verlangte der Staatsbesuch viel Geduld ab. Hubschrauber kreisten über der Stadt, an jeder Kreuzung stand ein Streifenwagen. Und der Park der Villa Pamphili wird für die Jogger erst am Sonntag wieder geöffnet. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 12.6.2009)