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Der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts Wifo, Karl Aiginger (re.), hat zwar die Unterstützung von Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl - aber Sponsor Industrie hat den Rotstift angesetzt.

Foto: APA/Herbert Pfarrhofer

Die Industriellenvereinigung hat dem Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo die Förderungen um mehr als die Hälfte gekürzt. Aussagen von Forschern haben die Industrie angeblich verärgert.

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Wien - Die Industriellenvereinigung (IV) hat mit der Drohung, dem Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo die Förderung zusammenzustreichen, Ernst gemacht. Für 2009 überweist die IV nur 100.000 Euro, im Vorjahr waren es noch 270.000 Euro. Die Industrie argumentiert mit Sparnotwendigkeiten, macht aber auch kein Hehl daraus, dass die Vorschläge einzelner Wirtschaftsforscher einige industrielle Kragen zum Platzen gebracht haben - vor allem jene in Richtung Vermögenszuwachssteuer. IV-Mitglieder stoßen sich daran, dass Wifo-Experte Markus Marterbauer am Wirtschaftsprogramm von SP-Landeshauptmann Franz Voves mitgeschrieben hat; auch Beiträge von Standard-Kolumnistin Margit Schratzenstaller und Finanzmarktkritiker Stephan Schulmeister würden nicht goutiert.

Leitl versucht Vermittlung 

Christoph Leitl, Wirtschaftskammerpräsident und Vorsitzender des Wifo-Vorstandes (das Wifo ist ein gemeinnütziger Verein), versucht zu vermitteln. Demnächst findet ein Gespräch zwischen Wifo-Chef Karl Aiginger und IV-Präsident Veit Sorger statt. "Dass die IV sparen will, kann ihr niemand verwehren", sagt Leitl zum Standard, "aber diese andere Frage muss ausgeredet werden." Er sei "persönlich auch gegen eine Vermögenssteuer, weil sie in Zeiten wie diesen kontraproduktiv ist. Aber als Wifo-Präsident bin ich verpflichtet, die wissenschaftliche Freiheit der Mitarbeiter zu schützen." Im Wifo herrscht der Usus, dass sich wissenschaftliche Mitarbeiter öffentlich zu politischen Themen äußern dürfen, sie müssen aber den Unterschied zwischen Privatmeinung und "Wifo-Meinung" deutlich machen.

An der Entscheidung zur Kürzung wird wohl auch das Aiginger-Sorger-Gespräch nichts mehr ändern können: Die IV hat einen aufrechten Beschluss. Leitl betont, dass das Wifo trotzdem "eine solide Finanzierung hat". Aiginger sagt dazu, dass das Gesamtbudget des Wifo von 12,5 Mio. Euro 2008 wohl auch heuer erreicht werden könne. Problembezogene Auftragsstudien könne man jederzeit bekommen, "doch wir brauchen auch eine Grundlagenfinanzierung" - für Forschungsbereiche, die komplexerer Auswertungen bedürfen, wie etwa eine Studie über das Inflationsphänomen des Jahres 2008.

Das Budget des Wifo betrug im Vorjahr 12,5 Mio. Euro. Der größte Teil vom Gesamtbudget, 3,4 Mio. Euro, kam 2008 via Finanzministerium aus dem Bundesbudget, die Oesterreichische Nationalbank zahlte rund 1,7 Mio. Euro. Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer kommen für rund 600.000 Euro auf (Leitl betont, dass dies auch so bleibt), der ÖGB für rund 550.000 und die Landwirtschaftskammer für rund 100.000 Euro. Die IV gibt heuer mit rund 100.000 Euro in etwa so viel wie die Landwirtschaftskammer im Vorjahr. Dazu kommen noch "Goldene Förderer" wie Banken, Siemens, Hannes Androsch, Verbund, E-Control, Infineon. Ein Drittel des Budgets sind "Drittmittel": Aufträge öffentlicher Stellen und Firmen.

Zum Vergleich: Das zweite größte Wirtschaftsforschungsinstitut, das IHS (Institut für Höhere Studien), rechnet heuer mit 8,9 Mio. Euro. 3,5 Mio. Euro stammen aus angewandter Forschung, 1,6 Mio. vom Wissenschaftsministerium, 1,1 Mio. vom Finanzministerium, 1,4 Mio. Euro von der Notenbank, der Rest von der Stadt Wien und anderen Geldgebern.

Politischer Druck auf Wirtschaftsforscher ist gang und gäbe, hört man von Mitarbeitern beider Institute hinter vorgehaltener Hand. Vor allem in Wahlkampfzeiten werde versucht, Einfluss auf die Darstellung relevanter wissenschaftlicher Ergebnisse zu nehmen - etwa der Konjunkturprognosen, Aussagen zu einem unrealistischen Budgetfahrplan, zur stockenden Verwaltungsreform oder zum einbrechenden Arbeitsmarkt.

Grasser-Attacke 

Den letzten Großangriff auf das Wifo unternahm 2002 der damalige FPÖ-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, der einen ihm genehmen neuen Chef installieren sowie beide Institute zu einer Fusion zwingen wollte - aus Effizienzgründen, wie er argumentierte. Dem glühenden Anhänger des damals hippen Neoliberalismus schien das keynesianisch ausgerichtete Wifo ebenfalls als Hort staatsfreundlicher Umtriebe. Grassers Budgets wurden regelmäßig kritisch hinterfragt.

Grassers Chef, der seinerzeitige ÖVP-Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, wollte die Sozialpartnerschaft insgesamt aushebeln, und das Wifo war und ist äußerst sozialpartnerschaftlich orientiert. Sie konnten sich gegen die Sozialpartner in der Wifo-Causa jedoch nicht durchsetzen. Das IHS (in dessen Aufsichtsgremium auch eine Reihe schwarzer, aber auch einige rote Expolitiker sitzen) versteht sich zwar per se als wirtschaftsliberaler als das Wifo, wehrte sich aber auch gegen die damalige allzu enge Umarmung von schwarzblauer Seite. (Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.6.2009)