Drei zusätzliche Kandidaten, noch einmal Wahlkampf, Gespräche, Verhandlungen - und noch immer ist offen, wer die Internationale Atomenergiebehörde in Zukunft führen wird. So viel steht fest - spätestens seit einer Testabstimmung am Dienstag im Gouverneursrat der IAEO. Die gewann zwar Japans Botschafter Yukiya Amano mit 20 Stimmen überraschend deutlich. Aber das reicht nicht für eine Zweidrittelmehrheit im 35-köpfigen Rat.

Am 2. Juli sollen die Staaten offiziell über die Nachfolge von Mohamed ElBaradei entscheiden. Das Risiko sei hoch, dass auch diesmal keiner der Bewerber genug Stimmen bekomme, sagen Diplomaten. Das hieße eine neue Bewerbungsrunde - und die Zeit wird langsam knapp, weil die Generalkonferenz im September den neuen IAEO-Chef absegnen muss.

"Amano ist sicher der führende Kandidat, aber das Ergebnis ist noch nicht klar", sagte ein westlicher Vertreter. Favorit war der Japaner bereits in einer ersten Wahlrunde Ende März, als es nur einen Gegenkandidaten gab: Südafrikas IAEO-Botschafter Abdul Samad Minty. Amano scheiterte knapp an einer Stimme. Nach der Testwahl scheint klar, dass es nun auf eine Wiederholung der ersten Runde hinausläuft: Amano gegen Minty.

Die beiden Kandidaten verkörpern die Kluft zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, die eine Einigung auf einen Kandidaten bisher verhindert hat. Die westlichen Staaten, die großteils Amano unterstützen, fordern einen Generaldirektor, der sich politisch nicht einmischt - aber alles tut, um zu verhindern, dass die Technologie für Atomwaffen nicht in die falschen Hände gerät. Die Entwicklungsländer, auf deren Stimmen Minty zählen kann, wünschen sich politische Statements und mehr Unterstützung der reichen Staaten bei der Nutzung von friedlicher Atomenergie. Daran habe sich auch nichts geändert, sagen Diplomaten.

Die drei europäischen Kandidaten, die seit Ende März Rennen einstiegen sind und sich als mögliche Kompromisskandidaten zu präsentieren versuchten, erscheinen dagegen chancenlos: einzig der Spanier Luis Echavarri, Leiter der Nuklearagentur der Wirtschaftsorganisation OECD in Paris, bekam bei der Testwahl überhaupt Stimmen, und zwar vier. Die anderen beiden gingen leer aus. (Julia Raabe/DER STANDARD, Printausgabe, 12.6.2009)