Wien - Computerspielsucht ist nicht so selten, wie man vielleicht glauben möchte: Eine österreichische Studie ergab, dass über zwölf Prozent der 14- bis 15-jährigen Befragten ein suchtartiges beziehungsweise pathologisches Computerspielverhalten aufweisen. Die Zahl der männlichen Betroffenen unter pathologischen Spielern sei dabei doppelt so hoch wie die der weiblichen, so Projektleiter Dominik Batthyany von der Sigmund Freud Privatuniversität Wien (SFU) bei einer Pressekonferenz am Dienstag.

Die Studie wurde unter 1.061 Wiener Schülern von 13 bis 18 Jahren - Durchschnittsalter 14,31 Jahre - durchgeführt, 45 Prozent davon waren Mädchen. Von den Gesamtbefragten nutzten 760 regelmäßig Computerspiele. 131 der regelmäßigen Spieler zeigten ein pathologisches Spielverhalten, davon wiederum 29 eine Abhängigkeit und 102 einen Missbrauch.

Im Schnitt fünf Stunden am Tag

"Pathologische Spieler beginnen auch früh, Computerspiele zu konsumieren, in der Regel mit 8,5 Jahren", so Batthyany. Die Betroffenen kämen auch häufiger als andere aus einem sogenannten "broken-home Setting" sowie aus Familien mit höherem Spielverhalten. Pathologische Spieler verbringen im Schnitt mehr als fünf Stunden täglich vor dem PC, abhängige fast acht Stunden.

Die Gruppe der pathologischen Spieler erklärte im Rahmen der Studie, nach dem Spiel einen Zuwachs von Gereiztheit, Traurigkeit und Langeweile zu empfinden, sagte der Projektleiter. Spielen werde auch zur Stimmungsregulation verwendet: 35,9 Prozent der Befragten gaben an, Computerspiele "immer" dann zu spielen, wenn sie ärgerlich oder traurig sind, 22,9 Prozent taten dies "meistens".

Oft würden Betroffene vor realen Problemen in die virtuelle Welt flüchten, um dort Entlastung zu finden, berichtete Batthyany. Spielen sei für manche eine Art Bewältigungsstrategie. Vier Prozent der Befragten gaben an, "immer" zu spielen, obwohl sie sich eigentlich vorgenommen haben, nicht zu spielen, bzw. länger zu spielen als vorgehabt. Pathologische Spieler wiesen einen erhöhten Mittelwert u. a. bezüglich empfundener Schulängstlichkeit und Konzentrationsdefizite sowie "eine Fokussierung des Lebens auf das Suchtmittel" auf, so Projektleiter.

Online-Rollenspiele besitzen besonders hohes Suchtpotential

Allerdings bedeute häufiges Spielen allein nicht gleich Spielsucht: Kritisch werde es erst, wenn gleichzeitig mehrere Merkmale süchtigen Verhaltens auftreten, wie beispielsweise der Zwang zum Spielen, meinte Batthyany. 52 Prozent aller Befragten gaben an, Spiele zu spielen, die nicht ihrem Alter entsprechen. 8,8 Prozent erklärten, schon einmal die Schule geschwänzt zu haben, um Computer spielen zu können.

Besonderes Suchtpotenzial enthalten laut dem Experten Online-Rollenspiele, die zusammen mit Adventure- bzw. Sportspielen vor allem von pathologischen Spielern bevorzugt würden. Nicht regelmäßige Spieler unter den Befragten gaben an, Geschicklichkeits- und Denkspiele besonders zu mögen. Batthyany kritisierte, dass ein erhöhtes Abhängigkeitspotenzial von den einzelnen Spielen bei der Altersbeschränkung nicht berücksichtigt würde. Als Vorsorgemaßnahme schlug er u. a. die Förderung von Selbsthilfegruppen und die Übernahme der Therapiekosten durch die Krankenkassen sowie die Anhebung von Altersbeschränkungen von zwölf auf 16 bzw. 18 Jahre für Spiele mit hohem Suchtpotenzial vor.

Tipps für Eltern

Wer befürchtet, hinter dem häufigen Computerspielen seines Kindes könnte eine Sucht stecken, sollte vor allem auf Verhaltensänderungen achten. Man sollte auch versuchen herauszufinden, welche Funktion und Vorteile das Spiel für den Betroffenen hat und Alternativen suchen, so Dominik Batthyany, Projektleiter der laut eigenen Angaben ersten Studie in Österreich zum Computerspielverhalten bei Jugendlichen.

"Grundsätzlich sollte man Computerspiele nicht verteufeln", erklärte Batthyany. Hilfreich könne sein, Regeln aufzustellen und konsequent zu sein - also Kinder rechtzeitig auf das Ende der Spielzeit aufmerksam zu machen. Spielen sollte auch nicht als Belohnung oder Bestrafung eingesetzt werden, so der Experte. Der Computer sollte im familiären Raum stehen und nicht im Kinderzimmer positioniert werden.

Man sollte sich jedenfalls Zeit nehmen für die Kinder, sie fragen, warum sie spielen und was ihnen daran gefällt und auch gemeinsam spielen sowie alternative Freizeitaktivitäten fördern. Eltern sollten auch darauf achten, Kinder in die reale Welt einzubinden.

Eltern sollten sich auch zu Altersbeschränkungen von Spielen schlaumachen und z. B. auf Informationen von PEGI (Pan European Game Information) sowie USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) achten. Empfehlungen von "besseren" Spielen gibt die BuPP (Österreichische Bundesstelle für die Positivprädikatisierung von Computer- und Konsolenspielen). Im Bedarfsfall: Hilfe bei Beratungsstellen suchen. (APA)