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Jemenitische Soldaten laden in der Hauptstadt Sanaa eine der Leichen von drei getöteten Frauen aus dem Hubschrauber.

Foto: APA/EPA/Arhab

Der Verdacht fällt jedoch auch auf Al-Kaida, die im Jemen Fuß gefasst hat.

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Sanaa/Wien - Die Leichen von drei Frauen - zwei Deutschen und einer Südkoreanerin - wurden am Dienstag per Hubschrauber aus der Provinz Saada in die jemenitische Hauptstadt Sanaa gebracht. Nach einer Autopsie sollen sie in ihre Heimatländer überstellt werden. Von den weiteren sechs Geiseln (eine fünfköpfige deutsche Familie und ein Brite) fehlte am Dienstag noch jede Spur. Ihr Tod war bereits gemeldet worden, wurde jedoch nicht bestätigt. Die jemenitischen Sicherheitskräfte durchkämmten am Dienstag Regionen im Norden des Landes auf der Suche nach den Geiseln.

Ebenso unklar ist der Hintergrund der Ereignisse. Die jemenitische Regierung war prompt mit einer Schuldzuweisung an die Rebellengruppe der Huthis zur Stelle, die seit Jahren im Konflikt mit Sanaa liegen. Die der schiitischen Sekte der Zaiditen zugehörigen Huthis (benannt nach ihrem Anführer) dementieren die Entführungen und Morde jedoch.

Der Verdacht geht jetzt eher in die Richtung Al-Kaida-Extremismus. Dass es aber keinerlei publizistisches Ausschlachten der Tat vonseiten der Entführer gab, wie bei Al-Kaida oft üblich - keine Forderungen, keine Videos etc. - und die Opfer so schnell getötet wurden, könnte dafür sprechen, dass etwas schiefgelaufen ist.

Allgemeine Radikalisierung

Wobei zu sagen ist, dass Al-Kaida im Jemen bisher nicht systematisch die Verschleppung von Ausländern betrieben hat wie in anderen Ländern. Es gibt jedoch viele andere, nicht klar einordenbare Gruppen. Wahr ist auch, dass sich manche der Stämme, die früher durch Touristenentführungen die Regierung zu erpressen pflegten, um von ihr etwa notwendige infrastrukturelle Maßnahmen zu erzwingen, radikalisiert haben. Die saloppe Einschätzung, dass eine Entführung im Jemen so etwas wie ein Abenteuerurlaub sei, gilt längst nicht mehr.

Dass Al-Kaida in den vergangenen Monaten vermehrt im Jemen einsickert, ist unbestritten. Die Zahl der Attentate steigt, zuletzt gab es klare Hinweise darauf, dass sich Al-Kaida den Konflikt zwischen Regierung und Separatisten im Südjemen zunutze macht, um Fuß zu fassen. Das Ziel ist aber nicht nur die verknöcherte Regierung von Präsident Ali Abdallah Saleh in Sanaa, sondern die Hauptstoßrichtung bleibt Saudi-Arabien. Programmatisch hat sich die jemenitische Kaida vor kurzem in "Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel" umbenannt. Osama Bin Ladens Vater war aus dem Jemen.


Die Huthi-Rebellen

Im Nordwesten, der Provinz Saada, wo die neun Ausländer am Freitag entführt wurden, findet seit 2003/2004 ein blutiger Konflikt zwischen der Regierung und den schiitischen Zaiditen statt. Er begann mit Protesten gegen die US-Invasion im Irak; als der Anführer der "Shabab al-Mu'minin" (Jugend der Gläubigen) genannte Gruppe, Hussain al-Huthi, sich der Verhaftung durch die Behörden entzog, antworteten diese mit Gewalt. Hussain al-Huthi wurde im September 2004 getötet, ein anderer Huthi führt den Aufstand weiter. Trotz teilweiser Beruhigung flammt der Konflikt immer wieder auf, besonders stark Anfang 2007. Die Armee geht brutal vor, es gab bereits tausende Tote und mindestens 130.000 Flüchtlinge.

Verdacht gegen Iran, Libyen

Sanaa beschuldigt andere Länder, die Rebellion zu unterstützen, allen voran den Iran, aber auch Libyen. Die Probleme sind jedoch durchaus hausgemacht. Die Zaiditen sind eine schiitische Sekte, die - anders als die Mehrzahl der Schiiten - nur fünf anstelle der 12 Imame anerkennt (deshalb heißen sie auch 5er-Schiiten, die imamitische Schule in Iran, Irak, Libanon etc. hingegen 12er-Schiiten).

Die Zaiditen waren bis 1962, als der Sturz der Monarchie im Jemen erfolgte, an der Macht, heute sind sie eine Minderheit, die wegen der Radikalisierung der Sunniten - die heute zwei Drittel der jemenitischen Bevölkerung stellen - immer mehr unter Druck gerät. Für radikale Sunniten sind sie keine Muslime, sondern Ungläubige und Ketzer. Sie ihrerseits werfen der Regierung in Sanaa vor, ihre Provinz wirtschaftlich zu vernachlässigen und eine antizaiditische Tendenz der Jurisprudenz zu fördern. (Gudrun Harrer/DER STANDARD, Printausgabe, 17.6.2009)