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Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Brüssel/Graz - Belgien senkt seine Grenzwerte für Emissionen aus Mobilfunkanlagen. Die neuen Werte sind 14-mal niedriger als die in Österreich gültigen Richtlinien. Grundlage für den radikalen Schritt in Belgien ist eine Studie, die gesundheitliche Belastung durch Handystrahlung anhand von Tierversuchen nahelegt.

Diese Studie ist eigentlich eine Dissertation, die bereits mehr als ein Jahr alt ist. Dirk Adang von der Katholischen Universität Löwen hatte Ratten bis zu 18 Monate lang verschiedenen Strahlungen ausgesetzt. André van der Vorst, der Betreuer der Doktorarbeit, zeigte sich bereits vor einem Jahr vorsichtig, inwieweit diese Ergebnisse direkt auf den Menschen übertragen werden könnten. Was ebenfalls gegen die unmittelbare Relevanz der Studie spricht: Auch noch nach einem Jahr ist sie nicht in einer wissenschaftlichen oder medizinischen Fachzeitschrift veröffentlicht worden und damit auch noch keiner Begutachtung durch Fachkollegen unterzogen.

Doch auch selbst wissenschaftliche Veröffentlichungen müssen in dem heißumstrittenen Feld noch nichts heißen. International beachtete Studien der arbeitsmedizinischen Abteilung der Med Uni Wien, die schädigende Auswirkungen von Handystrahlen auf menschliche Zellen herausgefunden haben wollten, wurden erst vor wenigen Monaten widerrufen.

Vor Belgien hatten bereits Italien und Luxemburg die Grenzwerte gesenkt. Im Nachbarland Liechtenstein soll der Grenzwert bis 2013 sogar um 90 Prozent gesenkt werden. Die Betreiber der Mobilfunkanlagen reagierten auf den dortigen Landtagsbeschluss mit einem Investitionsstopp und drohen mit dem Rückzug aus dem Fürstentum. Wirtschaftsverbände versuchen, die Entscheidung mit einem Volksbegehren zu kippen.

Strahlenquelle WLAN

Die Diskussion um die Strahlenbelastungen könnten sich noch ausdehnen. Mit großer politischer Euphorie kündigte etwa die Grazer Stadtregierung dieser Tage an, dass bereits in einigen Monaten in der City flächendeckend Hot Spots mit freiem Internetzugang - wie in anderen europäischen Städten - eingerichtet werden. An Haltestellen, Straßenlaternen, Verkehrsschildern oder auch in den Parks sollten WLAN-Stationen installiert werden. Bis Oktober würden in Graz 80 derartige Internetzugänge offenstehen, heißt es.

Ob es dadurch zu vermehrter Strahlenbelastung kommen könnte, wurde bisher von der schwarz-grünen Stadtregierung nicht thematisiert. Der Strahlungsforscher Hans-Peter Hutter, Oberarzt am Institut für Umwelthygiene der Medizinischen Universität Wien, jedenfalls warnt: Bevor derartige WLAN-Stationen installiert werden, sollten die möglichen Risken genau untersucht werden. Hutter zum Standard: "Wir haben es hier mit einer anderen Frequenz als bei den Handys zu tun, und die Abstrahlung von den WLAN-Stationen ist zwar geringer als von Handymasten. Das Problem ist allerdings, dass sie näher dran sind bei den Menschen. Da könnte es natürlich zu höheren Belastungen kommen. Das ist knifflig."

Ob Handymasten oder WLAN: Es sei ein grundsätzliches Problem. Sowohl die Industrie als auch die Politik habe es verabsäumt, die Folgen der neuen Technologien abzuschätzen. Hutter: "Man lebt noch immer in einer elektronischen Goldgräberstimmung. Aber wir müssten Grenzwerte zur Vorsorge einziehen." (Walter Müller/Klaus Taschwer/DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2009)