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Pirker: In der heimischen Medienpolitik herrsche mangelndes Bewusstsein für die systemrelevante Bedeutung von Zeitungen und Magazinen.

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Heftige Kritik an der österreichischen Medienpolitik kommt einmal mehr vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ). Printmedien befinden sich in Österreich in einer "Mehrfachmühle", sagte VÖZ-Präsident Horst Pirker am Donnerstag anlässlich der Generalversammlung des Verlegerverbands in Wien. Neben der Weltwirtschaftskrise, die den Medien zuletzt massive Einbrüche bei den Werbeeinnahmen bescherte, und der Internet-bedingten Strukturkrise herrsche in der heimischen Medienpolitik auch noch mangelndes Bewusstsein für die systemrelevante Bedeutung von Zeitungen und Magazinen. Die Bevorzugung des ORF verunmögliche ein vernünftiges duales System in Österreich.

Der ORF verfüge laut Pirker über eine beherrschende Stellung, die ihm nicht der Markt, sondern die Regierung in Form von mehr als 500 Millionen Euro Gebühren verliehen hat. "Der ORF und die jeweilige Bundesregierung leben in einer Schicksalsgemeinschaft, die bisher geeignet war, ein duales System zu vermeiden." Das "Gegengeschäft" im Hintergrund: Volle Gebühren, volle Werbung gegen Einfluss im ORF. Der VÖZ-Präsident glaubt aber, dass inzwischen zumindest die Werbewirtschaft erkannt habe, dass der ORF nicht mehr das Leitmedium ist. Der nächste Schritt sei, dass dies auch von der Politik erkannt werde.

"Zwangsgebühren", "staatlichen Eingriff" und "Marktverzerrung"

Die Verleger wollen aber keinesfalls eine ORF-Privatisierung, sondern wünschen vielmehr einen starken öffentlich-rechtlichen ORF, der seinen Spielraum allerdings nicht exzessiv interpretiert. Pirker: "Der ORF soll nur das machen, was tatsächlich öffentlich-rechtlich ist. Das ist eine klare Absage an die absurde Idee, dass sich der ORF beliebig privatwirtschaftlich bewegen kann." Die ORF-Gebühren bezeichnete Pirker als "Zwangsgebühren", "staatlichen Eingriff" und "Marktverzerrung". Der VÖZ-Präsident wies vor allem auf die extremen Proportionen der Marktverzerrung hin. Mehr als 500 Millionen Euro an ORF-Gebühren, würden zwölf Millionen Euro Presseförderung und fünf Millionen Medienförderung gegenüber stehen.

Die Presseförderung, die von Pirker durchaus kritisch gesehen wird, mache derzeit lediglich 2,5 Prozent der staatlichen Intervention beim öffentlich-rechtlichen ORF aus. Für die neue Medienförderung für private Rundfunkveranstalter würde gar nur knapp ein Prozent der ORF-Förderung zur Verfügung stehen. Diese Förderungspolitik der Regierung bezeichnete Pirker deshalb als falschen Weg. "Förderungen können kein geeignetes Instrument sein, um marktwirtschaftlich bestehen zu können." Die Regierung verglich Pirker deshalb mit "Brandstiftern", die als "erste Löschhelfer" zum Feuer kommen. "Die Politik hat hier ein Feuer gelegt: Der ORF wurde über Jahrzehnte durch Gebühren und Werbezeiten überfüttert. Dieser Brand soll jetzt mit einer Spritzpistole - fünf Millionen Medienförderung gegenüber 500 Millionen ORF-Gebühren - gelöscht werden. Das kann nicht zu einem dualen System führen."

"Kretinismus"

Kritisch setzte sich Pirker auch mit dem Verhältnis einzelner Mediengruppen zur amtierenden Bundesregierung auseinander. Es sei zwar erfreulich, dass es aufgrund des Bedeutungsverlustes des Leitmediums ORF unter Bundeskanzler Werner Faymann und Vizekanzler Josef Pröll zu einer Wiederentdeckung der Zeitungen und Magazine für die politische Kommunikation - auch der entgeltlichen politischen Kommunikation - gekommen sei, Pirker forderte jedoch "Transparenz und Fairness" statt Intransparenz und freundschaftlicher Bande bis hin zur Erpressung ein. Es dürfe nicht zu einer "vorauseilenden Bereitschaft zum Verkauf journalistischer Standards" kommen. "Lassen wir uns das Niveau von Politik und Medien nicht vom außer Rand und Band geratenen Boulevard bestimmen. Das führt zwanghaft zu einem Kretinismus", sagte der VÖZ-Präsident.

Ebenfalls mehr Bewusstsein forderte Pirker beim Thema Urheberrecht. Den derzeitigen Missbrauch von geistigem Eigentum würden die Medienunternehmen "auf Dauer nicht aushalten". Beim Postmarktgesetz, das zwischen SPÖ und ÖVP noch kontrovers verhandelt wird, wünschen sich die Zeitungsverleger mutigere Liberalisierungsschritte. Das Infrastrukturministerium plane derzeit die "monopolschützendsten Bestimmungen" innerhalb der EU. So sei es für den Verband Österreichischer Zeitungen etwa "völlig inakzeptabel", dass es für alternative Anbieter auch nach 2011 keinen Zugang zu Hausbrieffachanlagen geben soll.

Ostermayer: Notwendigkeit eines Strukturwandels im ORF

Medienstaatssekretär Josef Ostermayer betonte unterdessen in seinem Statement die Notwendigkeit eines Strukturwandels beim ORF. Auf Regierungsebene sei man derzeit über die Frage der Aufgaben und Grenzen des ORF im Gespräch. "Insgesamt glaube ich, dass wir den ORF weiterhin als starkes Medium brauchen, nicht in dem unterstellten Sinn, dass die Politik den ORF braucht, um ihn beeinflussen zu können, sondern als wichtiges mediales Standbein des demokratischen Systems." Der ORF sollte deshalb auch nicht halbiert oder reduziert werden, sondern in seiner Breite erhalten bleiben.

An die Verleger appellierte Ostermayer, den ORF nicht als "Feindmedium" zu sehen. Es dürfe nicht eine "Kampfposition" ORF gegen Printmedien geben, man müsse vielmehr gemeinsam durch schwierige Zeiten gehen. Die Bundesregierung wolle dabei sowohl ORF als auch Printmedien unterstützen. So soll etwa eine große für Herbst geplante Regierungskampagne nicht nur glaubwürdigen Optimismus in wirtschaftlich schwierigen Zeiten verbreiten, sondern auch Werbeeinnahmen für Medienunternehmen bringen. Gespräche nach welchen Kriterien diese Kampagnenmittel verteilt werden, würden demnächst geführt. Ostermayer lud die Verleger darüber hinaus zu einer Diskussion über eine Modernisierung der Presseförderung ein. (APA)