Wien - Wer sich bei den Wiener Grünen engagiert, der darf kein zartes Pflänzchen sein. Tageslicht war den Parteimitgliedern, die sich am Sonntagnachmittag im Haus der Begegnung in Wien-Floridsdorf zur 62. Landesversammlung trafen, keines vergönnt. Und auch bei der Diskussion ging es in den fensterlosen Räumlichkeiten ordentlich zur Sache. Thema Nummer eins: Die grüne Vorwahlbewegung, die sich in den vergangenen Monaten vor allem via Internet formiert hatte.
Rechte eingeschränkt
Nach stundenlangen Debatten haben sich die Wiener Grünen am Sonntagabend entschlossen, die Rechte der "Unterstützer" einzuschränken - allerdings nur in Maßen und nicht, wie vorerst abzusehen war, radikal. Diese dürfen künftig nicht mehr bei Vertrauensabstimmungen mitvotieren. Einer solchen Abstimmung müssen sich laut Parteistatut jene Personen unterziehen, die zum dritten Mal hintereinander für eine Funktion kandidieren. Ein entsprechender Antrag wurde bei der 62. Landesversammlung mit großer Mehrheit von den Delegierten angenommen. Das Mitbestimmungsrecht bei der Listenerstellung für die Wien-Wahl 2010 bleibt jedoch erhalten.
Insgesamt sprachen sich nach einer geheimen Wahl 151 von 178 gültigen Delegiertenstimmen für die Annahme des Antrags die Zwei-Drittel-Regelung betreffend aus. Das sind 84,4 Prozent und somit mehr als die für Statutenänderungen erforderliche zwei Drittel. Als Begründung war in der Diskussion immer wieder zu hören, dass Menschen, die vergleichsweise erst kurz in die Parteiarbeit eingebunden sind, nicht beurteilten könnten, ob sich Funktionäre in den Jahren davor bereits bewährt hätten. Unterstützt hatte diese Position unter anderem auch der Grüne Gemeinderat Christoph Chorherr, der sich im Zuge der Diskussion durchwegs positiv den "Grünen Vorwählern" und anderen mobilisierenden Webseiten gegenüber geäußert hatte.
Bezirke können mitentscheiden
Einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde die Zwei-Drittel-Regelung 2005, als der damals noch Grüne Mandatar Günter Kenesei bei seiner vierten Kandidatur den nötigen Stimmenanteil nicht erreichen und dadurch bei der Wien-Wahl nicht mehr antreten konnte. Kenesei wechselte daraufhin in das Lager der Wiener ÖVP.
Beschlossen wurde heute auch, dass künftig die Bezirksorganisationen darüber entscheiden können, welche Unterstützer auf Bezirksebene mitbestimmen können. Bisher wurde dies auf Landesebene entschieden.
Abgestimmt wurde zudem über einen Antrag, der den Entzug sämtlicher Stimmrechte der Unterstützer forderte. Damit hätten diese im Herbst auch bei der Listenerstellung der Kandidaten für die Gemeinderatswahl 2010 nicht mitmischen dürfen. Diese Abstimmung wurde mehrheitlich abgelehnt. 113 Delegierte sprachen sich gegen diese drastische Maßnahme aus, immerhin 69 stimmten dafür.
"Lasst euch bitte etwas einfallen"
Denn die Landespartei - in den entsprechenden E-Mails namentlich vertreten durch Geschäftsführer Robert Korbei - hatte in den letzten Tagen einigen, die im November bei der Listenerstellung für die Wiener Gemeinderatswahlen mitwirken wollten, eine Abfuhr erteilt. "Dutzende" der knapp 700 potenziellen Vorwähler seien davon betroffen gewesen, beschwerte sich Gemeinderat Christoph Chorherr bei der Landesversammlung - "ein schwerer Fehler" . Und ein Sympathisant appellierte: "Lasst euch bitte etwas einfallen! Alles, was ihr tut, kommt elitärst an."
"Wählen allein ist keine Mitarbeit für die Grünen" , konterte Landesvorstandsmitglied Claudia Smolik. Man habe einen Weg finden müssen, um jene Unterstützer "auszufiltern" , die lediglich mobilisiert worden seien, um einen bestimmten Kandidaten zu wählen. Landesgeschäftsführer Korbei räumte ein, dass in den letzten zehn Jahren keine Diskussion die Wiener Grünen so bewegt habe wie die um die Vorwahl. Der Vorstand habe nur eine falsche Entscheidung treffen können, in dem er entweder zu viele oder zu wenige Unterstützer zulässt.
Knappe Zustimmung
Diese heikle Frage wird in den nächsten Monaten auch Silvia Nossek beschäftigen. Die 44-Jährige aus Wien-Währing wurde zur neuen Landessprecherin gewählt und setzte sich mit 51,2 Prozent knapp gegen Lukas Wurz durch, der seit dem Rücktritt von Birgit Meinhard-Schiebl im Herbst interimistisch als Landessprecher fungiert hatte. Nossek hält es für die "Verantwortung des Vorstandes, eine breite Entscheidung und gleichzeitig Qualität zu ermöglichen" , sagte sie unmittelbar nach ihrer Wahl zum Standard. Vor allem organisierte Anmeldungen müsse man sich sehr genau anschauen. Im Wien-Wahlkampf, glaubt Nossek, müssten die Grünen den Schwerpunkt auf die Wirtschaftskrise legen. "Ich halte es für gefährlich, davon zu sprechen, dass die Krise wieder abflaut."
Die Position von Landesgeschäftsführer Korbei steht erst im kommenden Jahr wieder zur Disposition; die Entscheidung, ob Maria Vassilakou erneut grüne Spitzenkandidatin in Wien wird, fällt im November. (APA,hei, DER STANDARD, Printausgabe, 22.6.2009)