Wolfgang Schütz (61), Pharmakologe und Toxikologe, ist Gründungsrektor der Medizinischen Universität Wien

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Standard: Was stört Sie so an diesem Evaluierungsbericht?

Schütz: Die eintägige Begehung war zu kurz. Es wurde ein Bericht an den Wissenschaftsrat gegeben, den wir nie gesehen haben. Der Wissenschaftsrat hat den Bericht 1:1 übernommen, an das Ministerium geschickt, ohne uns vorher eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben. Sogar der Rechnungshof macht das. Die Stellungnahmen der beiden anderen Universitäten stehen auf der Homepage des Wissenschaftsrates - unsere nicht. Eine eigenartige Vorgangsweise.

Standard: Die Gutachter kritisieren die Strukturen Ihrer Universität.

Schütz: Das Gutachten ging nur auf die Strukturfragen ein, der wissenschaftliche Output der Institutionen wurde nicht untersucht. Der ist aber in Innsbruck und Wien sehr hoch. Letztlich ist das Entscheidende der Output.

Standard: Kritisiert werden vor allem Parallelstrukturen.

Schütz: Der wesentliche Vorwurf: Chemotherapeutische Regimes bei Krebspatienten würden an den Kliniken nicht einheitlich durchgeführt. An einem Comprehensive Cancer Center, wie in Ulm, woher die Gutachter kommen, werden die "Cocktails" für Chemotherapiegemische nach einem kompakten Regime gemixt. Hier ist das auf Kliniken verteilt, läuft aber nach einem übergeordneten Schema ab, festgelegt nach SOP, Standard Operating Procedure. Das wurde nicht gewürdigt.

Standard: Der Auftrag der Gutachter war, Empfehlungen an das Ministerium zur Unterstützung der Krebsforschung zu liefern, das müsste doch in Ihrem Sinne sein?

Schütz: Ist es auch, wir waren darauf vorbereitet, dass es so einen Auftrag einmal geben wird. Hintergedanke des Herrn Ministers war, eine zentrale Krebsforschungsinstitution in Österreich einzurichten, was ja auch Sinn hätte. Ob Minister Hahn dieses zentrale Krebsforschungsinstitut noch will, weiß ich nicht.

Standard: Wollen Sie es?

Schütz: Ich halte das in einem kleinen Land wie Österreich für sinnvoll. Das gilt aber auch für andere Forschungsbereiche. Eine Kooperation ist innerhalb der drei medizinischen Universitäten auch möglich. Ein Aspekt in diesem Gutachten ist ja auch, dass sich die drei medizinischen Universitäten in ihren Stärken sehr gut ergänzen. Nämlich die klinische Forschung in Wien, die experimentelle Forschung in Innsbruck und die entsprechende methodische Unterstützung, insbesondere durch Biobanken, in Graz.

Standard: Das Gutachten empfiehlt die Einwerbung in einen Spezialforschungsbereich. Wäre das sinnvoll?

Schütz: Selbstverständlich. Das kann man aber nicht 100-prozentig planen, weil der FWF (Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung) sehr restriktiv vorgeht. Wir werden einen neuen Anlauf für eine Bewilligung machen. In den nächsten zwei, drei Jahren könnte es einen Schwerpunkt Onkologie geben.

Standard: Auch wenn es für einen Antrag den Konsens braucht?

Schütz: Den Konsens werden wir innerhalb der Uni sicher haben. Es wäre sogar innerhalb der drei Universitäten möglich. Wir haben ja bereits Kooperationen, diese funktionieren in der Regel spontan. Unterstützende Maßnahmen sind uns da willkommen. Weniger willkommen sind uns dirigistische Maßnahmen, die uns vorschreiben, wie man Forschung macht.

Standard: Was möchten Sie konkret vom Wissenschaftsminister?

Schütz: 150 Arztstellen, weil wir nur dann mehr Freiraum für die Forschung hätten. Die Situation ist ja so, dass 100 Prozent der Ärzte am AKH Krankenversorgung machen. Wenn auch die Forschung ihren Platz haben soll, brauchen wir zehn Prozent mehr Ärzte. Das weiß der Minister seit langer Zeit.

Standard: Was erwarten Sie sich zur Konfliktbereinigung?

Schütz: Eine Gesprächsrunde mit dem Wissenschaftsrat. Wir würden es sehr unterstützen, wenn eine Bündelung der Krebsforschung möglich wäre - nicht an einem gemeinsamen Standort, sondern durch bestimmte Schwerpunkte: klinische Forschung mit Schwerpunkt, aber nicht ausschließlich in Wien, Biobank in Graz, theoretische Forschung konzentriert auf Innsbruck. (Jutta Berger, DER STANDRD, Printausgabe, 22.06.09)