Das Neue ist: Es herrscht ein gutes Klima zwischen Ärzten und Sozialversicherung. Die Verhandlungen zur Krankenkassenreform wurden dieses Mal gänzlich anders angegangen als im Vorjahr, als die Ärzte mit Arbeitsniederlegung gedroht und Demonstrationen abgehalten haben. Dieses Mal wurde gekuschelt, wie man im Koalitionsjargon sagen würde. Bevor inhaltliche Verhandlungen geführt wurden, standen gemeinsame Abendessen auf dem Programm, um eine Vertrauensbasis aufzubauen.

Die Folge: Jene Partner, die letztes Jahr am meisten Wirbel gemacht haben, sind diesmal an Bord. Das sind nicht nur die Ärzte. Auch die Vertreter der einzelnen Gebietskrankenkassen wurden frühzeitig eingebunden, damit nicht erneut Widerstand aus einzelnen Bundesländern aufkommen sollte. Zur Erinnerung: Ausgerechnet der jetzige Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) hat 2008 mit der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse am lautesten protestiert.

Jetzt herrscht also weitgehend Harmonie - abgesehen vom Aufschrei der Pharmaindustrie und der Apothekerkammer. Der stört die Politiker aber nicht allzu sehr. Im Gegensatz zu den Ärzten ist ihre Mobilisierungskraft eingeschränkt. Sie können nicht hunderttausende Patienten gegen die Politik aufbringen.

Von einem großen Wurf, einer richtigen Gesundheitsreform, sind wir dennoch weit entfernt. Das wissen auch die Verhandler. Ärzte und Krankenkassen haben zwar zahlreiche Einzelvorschläge ausgearbeitet. Und viele davon machen Sinn. Letztendlich sind sie aber nur ein Anstoß für weitere Verhandlungen, weil sie unpräzise sind oder zulasten Dritter gehen. Von einer nachhaltigen Finanzierung des Gesundheitssystems kann noch nicht gesprochen werden.

Es ist natürlich zu begrüßen, dass verstärkt Generika-Medikamente zum Einsatz kommen sollen. Nur kann heute noch niemand sagen, ob genauere Verschreiberichtlinien, eine gestaffelte Rezeptgebühr oder Maßnahmen zur Eindämmung der Pharmawerbung in einigen Jahren tatsächlich Wirkung zeigen. Vor 2011 ist ohnehin nicht viel geplant. In der Vergangenheit hat sich gezeigt, dass die Pharmawirtschaft immer Wege gefunden hat, die gegen sie geplanten Maßnahmen zu umgehen.

Für künftige Verhandlungen um Ärztehonorare gibt es zwar zahlreiche Richtlinien. Diese lassen aber so viel Interpretationsspielraum offen, dass ein finanzieller Effekt derzeit auch mehr Wunsch als Realität ist. Natürlich soll die "wirtschaftliche Leistungsfähigkeit" der Krankenkassen oder die "gesamtwirtschaftliche Situation" beim Abschluss von Ärzteverträgen berücksichtigt werden. Nur - wie wird die Leistungsfähigkeit definiert? Was lässt die gesamtwirtschaftliche Situation zu? Die Ärzte haben hier sicher andere Vorstellungen als die Krankenkassen.

Ähnlich verhält es sich mit den Vorschlägen im IT-Bereich. Die Weiterentwicklung der E-Card und eine stärkere elektronische Zusammenarbeit der Ärzte sind zu begrüßen. Wenn es um die Details geht, hat die Ärztekammer aber noch immer Argumente gefunden, um gegen technischen Fortschritt aufzutreten. Oft geht es schlicht darum, ihren Mitgliedern neue Investitionen zu ersparen.

Die Schwäche des Kompromisses liegt also darin, dass vieles sehr vage formuliert wurde. Die 2,5 Milliarden Euro an Dämpfungspotenzial klingen zwar gut, sind aber von sehr viel Optimismus getragen. Außerdem stehen die Verhandlungen mit den Ländern, die für den größten Kostenfaktor, nämlich die Krankenhäuser, verantwortlich sind, erst am Beginn. Und wer das Beispiel Verwaltungsreform kennt, der weiß, welche Bewegung es bei den Ländern gibt: Nämlich wenig bis keine. (Günther Oswald/DER STANDARD-Printausgabe, 24. Juni 2009)