Wien/Brüssel - Mit Karel van Miert verschwindet "ein Monument in Flandern". Das erklärte der Ministerpräsident des flämischen Teils im Königreich Belgien. Einflussreich, das war van Miert, der 1942 auf die Welt kam, nicht nur in seiner kleinräumigen Heimat. Er war viele Jahre einer der mächtigsten Politiker Europas: 1989, am Vorabend der Errichtung des Binnenmarktes, wurde er Verkehrskommissar in der EU-Kommission unter Jacques Delors (und später zu einem "Freund Österreichs" als Koordinator zur Errichtung des Brenner-Basistunnels). Er verhandelte den Transitvertrag. Seinen legendären Ruf begründete er ab 1993 als unbestechlicher EU-Wettbewerbskommissar: Vor ihm zitterten Großkonzerne und Banken, Regierungen, die ihren Firmen nationale, wettbewerbsverzerrende Beihilfen zuschoben. Er ermittelte gegen Bankabsprachen in Österreich ("Lombard-Klub" ), ging gegen die Bücher-Preisbindung vor. Sein Markenzeichen: Van Miert blieb völlig frei von Arroganz, ein witziger, warmherziger Gesprächspartner.

Als Sohn eines Bauern, der Elektriker lernte, studierte er sich zum Diplomaten hoch, verschrieb sich der Sozialdemokratie, war EU-Abgeordneter, Staatsminister, zehn Jahre lang Parteichef, beim Volk beliebt. 1984 wurde er mit unglaublichen 496.063 Vorzugsstimmen ins Parlament gewählt.

In der Pension widmete er sich mit Leidenschaft der Gärtnerei. Mehr als 200 Obstbäume kultivierte er im Garten im Süden von Brüssel. Sein Tod hat etwas Tragisches. Van Miert starb Montagabend, als er mit der Leiter auf einen seiner Bäume stieg und zu Boden stürzte. (Thomas Mayer/DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2009)