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Gerhard Schröder
Berlin - Als bitter hat der deutsche Außenminister Joschka Fischer die Nachricht vom Kriegsbeginn im Irak bezeichnet. Vom Sicherheitsrat in New York kommend, sagte er kurz vor der Landung in Berlin: "Krieg ist die schlechteste aller Lösungen." Es habe eine friedliche Alternative zu dieser Entscheidung gegeben. Dies hätten die Beratungen im Sicherheitsrat gezeigt. Bundeskanzler Gerhard Schröder verteidigte unterdessen vor der SPD-Fraktion die Teilnahme deutscher Soldaten an NATO-Einsätzen von Awacs-Maschinen im Irak-Nachbarland Türkei.
Fischer: "Humanitäre Katastrophe verhindern"
"Unsere tiefe Sorge gilt dem Schicksal der Menschen. Wir hoffen, dass die Kampfhandlungen möglichst schnell beendet sind und die Zivilbevölkerung geschützt wird", sagte Fischer. " Auf keinen Fall dürfe es zum Einsatz von Massenvernichtungswaffen kommen, sagte der Grünen-Politiker. "Es muss alles getan werden, eine humanitäre Katastrophe zu verhindern." Dabei müsste die UNO ebenso die "zentrale Rolle" spielen wie bei der Wiederherstellung des Friedens. In der Budget-Debatte im Bundestag warf Fischer den USA indirekt vor, sie hätten mit ihrem Aufmarsch am Golf von vornherein nicht die Abrüstung des Irak zum Ziel gehabt. Die Soldaten seien mehr gewesen als eine Drohkulisse.
Schröder verteidigt Awacs-Beteiligung in der Türkei gegen Grünen-Kritik
Schröder habe die deutsche Awacs-Beteiligung in der Türkei in der Sitzung Donnerstag Früh als rechtlich vollkommen korrekt bezeichnet, berichteten übereinstimmend mehrere Teilnehmer. Gleichzeitig habe der Kanzler bekräftigt, die Regierung sei gegen den Krieg. Die Debatte um die völkerrechtliche Legitimation eines Irak-Krieges dürfe von diesem Grundsatz nicht ablenken. Grünen-Politiker hatten kritisiert, der Angriff der USA sei völkerrechtlich nicht gedeckt. Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion, Hans-Christian Ströbele, hatte gefordert, die USA in keiner Weise beim Krieg gegen den Irak zu unterstützen.
Schröder kritisiert Irak-Krieg als "falsche Entscheidung"
In einer Fernseh-Ansprache an die Bevölkerung kritisierte Schröder am Donnerstag den Beginn des Krieges gegen den Irak. Damit sei "die falsche Entscheidung getroffen worden", sagte er. Die Logik des Krieges habe sich gegen die Chancen des Friedens durchgesetzt. Jetzt sei aber nicht der Augenblick für Schuldzuweisungen und die Auflistung von Versäumnissen. Nun müsse vielmehr alles getan werden, um den Krieg so schnell wie möglich zu beenden.
Nach Schröders Worten wird Deutschland nicht abseits stehen, sondern den Opfern helfen. "Wir sind zu humanitärer Hilfe im Rahmen der Vereinten Nationen bereit", sagte er. Dazu gehöre neben der Versorgung von Flüchtlingen auch die medizinische Betreuung verletzter Soldaten. Deutschland sei auch bereit, unter UNO-Führung "das uns Mögliche zu einer politischen Ordnung nach dem Krieg beizutragen".
Meinungsverschiedenheiten von Regierungen - nicht von Völkern
In Hinblick auf die USA und Großbritannien betonte der Kanzler, die Differenzen über den Krieg seien "klare Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierungen", nicht jedoch zwischen befreundeten Völkern. Das beträfe auch die Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und den USA. Die Substanz der Beziehungen zu Washington sei nicht gefährdet. Deutschland werde auch seine NATO-Verpflichtungen erfüllen.
Terrorängste in Deutschland: Es bestehe kein Grund für Panik
Schröder bemühte sich zugleich, Ängste wegen möglicher Anschläge in Deutschland zu dämpfen: "Es gibt in Deutschland keinen Grund zur Panik oder zur besonderen Sorge." Die innere Sicherheit sei nicht in Gefahr. Terroristische Anschläge könnten freilich ebenso wenig ausgeschlossen werden wie anderswo auf der Welt.
Rau: Demonstrationen sollen keinen Hass schüren
Der deutsche Bundespräsident Johannes Rau mahnte zur Ausgewogenheit bei Demonstrationen gegen den Irak-Krieg. Bei einer Diskussion mit Schülern in Berlin am Donnerstag begrüßte er Kundgebungen, soweit sie die Ängste und Sorgen der Teilnehmer ausdrückten. Schädlich seien die Proteste aber, "wenn sie Hass schüren gegen Amerika, den amerikanischen Präsidenten", sagte Rau. Unmittelbar nach der Veranstaltung machten sich viele Schüler auf den Weg zu einer Anti-Kriegsdemonstration am Berliner Alexanderplatz.
Washington informierte Berlin nicht offiziell über Angriff
Die diplomatische Eiszeit zwischen Deutschland und den USA hat sich am Donnerstag auch in der Informationspolitik der US-Regierung widergespiegelt. Washington hielt es nicht für nötig, den NATO-Bündnispartner Deutschland offiziell über den Beginn der US-Angriffe auf den Irak zu informieren. Nicht nur Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) erhielt die Nachricht über den Kriegsbeginn daher von seinem eigenen Lagedienst. Auch seine Minister wurden von ihren Lagediensten informiert, die sich dabei offenbar teilweise auf deutsche Geheimdienst-Informationen stützten, aber auch auf die Berichte von Nachrichtenagenturen und Fernsehsendern.
Struck: "Wir fühlen uns nicht auf den Schlips getreten"
Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) war nach eigenen Angaben die ganze Nacht über wach. Dass die USA Deutschland nicht offiziell über den Beginn des Krieges unterrichteten, nahm er gelassen. "Wir fühlen uns nicht auf den Schlips getreten", versicherte er bereits am frühen Morgen im Fernsehen. Es sei ja abzusehen gewesen, dass der Krieg in dieser Nacht beginnen werde, da müsse nicht auf "Formalitäten" bestanden werden. Sein Ministerium informierte ihn jedenfalls unverzüglich - auch Struck wurde am Morgen angerufen. (APA/AP/dpa/Reuters)