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Morne Steyn (2.v.re) und Kollegen schicken dem entscheidenden Penaltykick ihre geballte Hoffnung hinterdrein.

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Tom Croft gewinnt ein Lineout für die Lions.

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Südafrikas Bakkies Botha will den Ball.

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Mike Phillips in Bedrängnis

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Bryan Habana entwischt Jamie Roberts.

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Stephen Jones entwischt Andries Bekker nicht.

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Fourie du Preez (li) und Victor Matfield: Mission accomplished

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Stehen zwei Stadien in Durban...

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Schon mehrfach stand das südafrikanische Rugby an Scheidewegen. Etwa während und nach den dunklen Jahren des Boykotts, als die als Springboks bekannte (und gefürchtete) Nationalmannschaft des Apartheid-Staates nur eingeschränkt am internationalen Spielbetrieb teilnehmen konnte. Doch anstatt den Anschluss an die Weltklasse, verpassten die Boks der Gegnerschaft eine ordentliche Maulschelle und gewannen 1995 den Titel. Als Nelson Mandela ("Bisher war Rugby die Anwendung der Apartheid auf dem Sportplatz. Nun müssen wir den Sport dafür nutzbar machen, eine Nation zu formen.")  dem Afrikaaner Francois Pienaar den Webb Ellis Cup überreichte, war das ein Moment voller Symbolik und dem Versprechen auf eine bunte und harmonische Zukunft. Natürlich konnte es so nicht eingelöst werden.

Dann kam 2003 und Kamp Staaldraad. Südafrikanische Zeitungen deckten auf, dass Teamchef Rudolf Staeuli sein Aufgebot zur Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in einem  Trainingslager der etwas anderen Art kaserniert hatte. Mitten im Busch mussten die Spieler nackt in Erdlöchern hocken, während eiskaltes Wasser über sie ausgegossen wurde. Dazu brüllte in voller Lautstärke die Hymne des Feindes, je nachdem "God save the Queen" oder der "Haka" der neuseeländischen All Blacks. Die Affäre schlug hohe Wellen und schließlich musste Straeuli, der sein Bootcamp als Fußnote zu verharmlosen suchte, zurücktreten. Auch, weil seine martialischen Methoden sportlich versagt hatten und Südafrika im WM-Viertelfinale gegen Neuseeland sang und klanglos 9:29 unterlag.

Neue Zeiten

Die Boks kamen erneut zurück und holten vier Jahre später im Stade de France gegen England ihren zweiten Titel. Diesmal war Präsident Thabo Mbeki bei der Pokalübergabe vor Ort. Doch auch nach diesem Höhepunkt schien die Zukunft ungewiss. Der Nationalsport der Buren sollte nun Pluralität beweisen, es war von einer Quote für farbige Spieler die Rede. Auch der Name und das Symbol des Teams standen zur Disposition. Schließlich erhielten die Springboks eine Ausnahmegenehmigung und durften ihren seit 1906 angestammten Namen behalten, während die andere südafrikanische Mannschaften nun als Proteas auftreten. Die Blüte jenes Zuckerbusches allerdings, ziert auch die breiten Brüste der Rugbyaner. Und zwar neuerdings linkerhand über dem Herzen, während sich die Antilope nach rechts zu verabschieden hatte.  "Die Fusion des alten Buren-Machismo mit Südafrikas Modernität ist das wunderbarste Beispiel angewandter Sozialwissenschaft im Sportbereich. Dass die Boks nicht den Abgrund von Widersprüchen zwischen dem, was Südafrikas Rugby einst darstellte und dem, was nun von ihm erwartet wird, hinabgestürzt sind, ist eigentlich unbegreiflich", schrieb Paul Hayward im "Guardian".

Die Touristen

Nun bereisen seit einigen Wochen die British & Irish Lions das Land. Die Tourneen haben Tradition und reichen bis in die Anfänge des Sports um die Wende zum 20. Jahrhundert zurück. Alle vier Jahre macht sich die Auswahl von den britischen Inseln auf und spielt eine Testserie gegen eine der Süd-Mächte Neuseeland, Australien oder eben Südafrika. Die drei Matches zwischen den Lions und den jeweiligen Nationalteams sind zwar die Höhepunkte des Besuchs, zahlreiche Spiele finden jedoch - quasi als Appetitanreger - gegen Provinzteams statt. Und die sind beileibe kein Zuckerschlecken, denn die hochmotivierten Gegner setzen alles daran, die Touristen zu blamieren. Doch heuer blieben die Lions erstmals seit 1989 ohne Niederlage, nur gegen die Emerging Springboks, Südafrikas zweites Team, musste man sich in einem regen- und sturmgepeitschten Kapstadt mit einem 13:13 bescheiden. Nach den ansonsten recht souveränen Siegen der Lions mäkelte manch britischer Beobachter prompt über das gesunkene Spielniveau der Provinzen. Auch mangelndes Interesse wurde konstatiert, denn nicht jedes Stadion war voll. (Was wiederum den rund 20.000 Fans, die die Lions begleiten, zugute kommt. Matchkarten sind - im Gegensatz übrigens zu Hotelzimmern - recht einfach zu bekommen.)

Erster Test: "Zusammengefaltet"

Die Boks sollten die Dinge auf ihre Art richtigstellen, obwohl sie seit sieben Monaten kein ernsthaftes Match mehr bestritten hatten. Vor dem ersten Aufeinandertreffen mit dem Weltmeister in Durban war klar, dass die Touristen (die eigentlich Irish & Welsh Lions heißen müssten, denn Spieler aus den beiden keltischen Nationen bilden das Rückgrat der XV) nur dann Aussicht auf Erfolg haben würden, wenn ihr Scrum jenem der Südafrikaner würde Paroli bieten können. Denn seit jeher zeichnet sich das Rugby am Kap durch seine ungeheure Physis aus. Härte und Kampfgeist der Boks sind legendär, ihre Nachrede nicht die allerbeste. Matches gegen die Briten gelten als besonders spannungsreich, man könnte sie auch als Fortsetzung der Burenkriege mit anderen Mitteln beschreiben.

Jedenfalls wurde das Paket der Lions von der ersten Spielminute an "zusammengefaltet wie ein von einem Öltanker getroffenes Dinghy." Besonders der englische Routiner Phil Vickery kam schwer unter Druck. Über die Dominanz in Scrum, Maul und Lineout sicherten sich die Springboks rasch einen beruhigenden Vorsprung und führten zur Halbzeit 19:7. Ruan Pienaar und Francois Steyn hatten makellos gekickt.

Erst als Coach Ian McGeechan die Waliser Matthew Rees und Adam Jones in die Schlacht warf, stabilisierte sich die erste Reihe der Lions. Das Mittelfeld bekam mehr Luft, Brian O'Driscoll and Jamie Roberts begannen sich zu entfalten. Besonders der vor Kreativität sprühende O'Driscoll, der Irland zum Sieg bei den Six Nations 2009 geführt hatte, zeigte eine Leistung, die sich fugenlos in seine grandiose Saison einpasste. Der Weltmeister wirkte auf einmal etwas eindimensional und stand dem Laufspiel seiner Gegner eher hilflos gegenüber. Tries von Tom Croft (2) und Mike Phillips in der Schlussphase ließen die wackeren Lions von 7:26 noch auf 21:26 herankommen.

Dazu trug zweifellos auch bei, dass Teamchef Peter de Villiers ("Ich habe ja keine Schulbuben gebracht") im Bewusstsein des sicheren Erfolges relativ früh einige Stützpfeiler seiner Formation vom Feld genommen hatte. Dass er sich gezwungen sah, seinen bereits ausgetauschen Kapitän Smit wieder zurückzubeordern, spricht Bände. Nach diesem Comeback stellte sich aus Sicht der Touristen die Frage: War das eine Niederlage, oder bloß die Spielzeit zu kurz?

Zweiter Test: ein Klassiker

Vor dem zweiten Test am Samstag setzte der übliche Krieg der Worte ein. Südafrikas Assistenzcoach Dick Muir kündigte an: "Wir werden es etwas körperlicher angehen, wir haben Jungs die die Konfrontation mögen." Das dem so ist, konnte O'Driscoll aus erster Hand bestätigen. Der in Durban mehrmals hart genommene Ire: "Du Plessis hat mir gedroht, dass er mich ausknocken wird. Da darfst du dann nicht klein beigeben." Auch Warren Gatland, Forwards-Coach der Lions, kündigte Widerstand an: "Die Südafrikaner schüchtern ihre Gegner gerne ein, um sie dann zu dominieren. Ich wäre sehr überrascht, sollten wir im Ernstfall einen Schritt zurück machen."

Jones (1,83/127kg) wurde dabei die ganz spezielle Aufgabe zugedacht, Tendai "Beast" Mtawarira (1.90 m/118 kg) zu stoppen. Der 24-jährige Prop (Stürmer in der ersten Reihe) gilt als aufgehender neuer Stern und hatte 2008 mit aufsehenerregenden Leistungen großen Anteil am Sieg seiner Natal Sharks in der Super-14 (neuseeländisch-südafrikanisch-australische Profimeisterschaft). Außergewöhnlich ist an Mtawarira seine Behendigkeit, die sich mit seiner Wucht zu einer explosiven Mischung paart. Das "Tier" (wobei hier weniger an die zierliche Antilope, sondern eher an etwas Rhinozeroshaftes gedacht werden muss) hatte im ersten Test Vickery abmontiert und war als "Mann des Spiels" ausgezeichnet worden.

Roberts erledigte seinen Job gut. Die Lions konnten sich in den Zweikämpfen beim Breakdown hervorragend behaupten. Sie dominierten die erste Halbzeit mit einem hohen Prozentsatz an Ballbesitz - auch wenn sie diesen mit einer Unzahl krachender Tackles der Südafrikaner zu bezahlen hatten. Im Gegensatz zum ersten Aufeinandertreffen gelang es dem Weltmeister nicht, die Partie via Standardsituationen in den Griff zu bekommen. Das Selbstbewusstsein der Lions exemplifiziert eine Situation aus der 34. Minute, als lange dafür optiert wurde, einen weiteren Try zu schaffen und Stephen Jones erst spät dazu überging, die einfacheren Punkte mittels Dropgoal einzusacken. Aus manchen Aktionen der Boks dagegen sprach Frustration, zur Pause führten die Touristen 16:8. Francois Steyn und Ruan Pienaar hatten vier von fünf Kicks versemmelt.

Doch der Weltmeister riss sich nach der enttäuschenden ersten Halbzeit am Riemen, die Auseinandersetzung mauserte sich zu einem Klassiker. Konstant brandeten die Attacken nun gegen die Reihen der Roten und langsam wurde der Stein gehöhlt. Die Lions wurden aufgerieben. Sie verloren erst ihre Props Gethin Jenkins und Adam Rhys Jones durch Verletzung, dann konnte auch das formidable Mittelfeld-Duo Roberts/O'Driscoll nicht mehr weitermachen.

Südafrikas Flügel Bryan Habana nützte den einmal sich auftuenden Möglichkeitsraum. Freigesperrt, spielte er seine ungeheure Schnelligkeit aus und stürmte zu Südafrikas zweitem Try, ein Tackling unbeeindruckt an sich abperlen lassend. Der Weltmeister hatte begonnen, den Vorsprung der Lions wegzuknabbern. Dann pflügte Jaques Fourie hart an der Seitenlinie durch zwei Mann und knallte, sich nach vorne werfend, den Ball in höchster Streckung ins Malfeld. Die Referees traten zur Beratung an, denn es war unklar, ob Fouries Fuß die Linie berührt hatte, in welchem Fall dem Try die Anerkennung zu versagen gewesen wäre. Doch der Score stand, Südafrika lag erstmals in Führung. Es waren noch sechs Minuten zu spielen.

Pures Drama. Stephen Jones, dem Kicker ohne Nerven, gelang mit einem Penalty noch einmal der Ausgleich. Doch die Boks gaben nicht mehr nach. Sie wollten den Sieg unbedingt, um die Scharte von vor zwölf Jahren auszuwetzen, als sie eben hier, auf dem Loftus Versfeld, die bisher letzte Serie gegen die Lions verloren hatten. Dieser Stachel steckte immer noch.
Es blieb Morne Steyn vorbehalten, ihn zu entfernen. Nach einer Stunde für den diesmal nicht überzeugenden Pienaar eingetauscht, hatte er durch einen Penalty und zwei verwandelte Conversions bereits ordentlich Anteil an der Aufholjagd des Weltmeisters gehabt. Nun schickte er mit der letzten Aktion des Spiels den Ball nach einem weiteren Foulpfiff gegen die Lions (Ronan O'Gara hatte Fourie Du Preez bei einem hohen Ball unterlaufen) aus 55 Meter Entfernung zum 28:25-Endstand zwischen die Stangen. Die Lions waren erledigt. Der Weltmeister führt in der Serie uneinholbar 2:0, der dritte Test am kommenden Samstag in Johannesburg bleibt Ehrensache.

Der runde Ball

Die nächste Herausforderung für das südafrikanischen Rugby aber wartet schon. Sie kommt daher in Form eines runden Laberls. Fußball wird durch die WM im kommenden Jahr einen Popularitätschub erfahren, der infrastrukturelle ist schon da. Besonders augenfällig wird dieser (auch in seinen absurden Auswüchsen) in Durban. Dort erhebt sich seit kurzem, nur wenige hundert Meter neben dem 52.000 Zuschauer fassenden Absa-Stadion der Sharks, ein noch größeres Teil. Die Moses Mahabida-WM-Arena. Ein in Beton gegossener Machtanspruch. (Michael Robausch - derStandard.at 29.6. 2009)

ERGEBNIS, zweiter Test:

Südafrika - British and Irish Lions 28:25 (8:16). Loftus Versfeld, Pretoria 52.000.

Südafrika - Tries: JP Pietersen, Bryan Habana, Jaques Fourie; Conversions: Morne Steyn (2); Penalties: Francois Steyn, M. Steyn (2);

British and Irish Lions - Try: Rob Kearney; Conversion: Stephen Jones; Penalties: Jones (5); Drop goal: Jones

Gelbe Karte: Schalk Burger (Südafrika; 1. Minute)

Südafrika - 15-Francois Steyn, 14-JP Pietersen, 13-Adrian Jacobs, 12-Jean de Villiers (21-Jaque Fourie 56), 11-Bryan Habana, 10-Ruan Pienaar (22-Morne Steyn 61), 9-Fourie du Preez; 8-Pierre Spies, 7-Juan Smith (19-Danie Rossouw 59, 20-Heinrich Brussow 61), 6-Schalk Burger, 5-Victor Matfield, 4-Bakkies Botha (18-Andries Bekker 59), 3-John Smit, 2-Bismarck du Plessis, 1-Tendai Mtawarira.

Lions - 15-Rob Kearney, 14-Tommy Bowe, 13-Brian O'Driscoll (22-Shane Williams 65), 12-Jamie Roberts (21-Ronan O'Gara 68), 11-Luke Fitzgerald, 10-Stephen Jones, 9-Mike Phillips; 8-Jamie Heaslip, 7-David Wallace (19-Martyn Williams 68), 6-Tom Croft, 5-Paul O'Connell, 4-Simon Shaw, 3-Adam Jones, (18-Alun Wyn Jones 46) 2-Matthew Rees, 1-Gethin Jenkins (17-Andrew Sheridan 46).

Referee: Christophe Berdos (Frankreich)