"Jetzt sind die Sportjournalisten beim ORF und in den Zeitungen nicht mehr die letzten Trotteln."

Foto: ORF/Ramstorfer

Standard: Sie waren zweieinhalb Jahre lang Sportchef - als Übergangslösung?

Huber: Dagegen verwahre ich mich. Ich habe das aufregendste Sportjahr aller Zeiten geleitet, das vorige mit der EURO und Olympia in Peking. Und ich glaube, sagen zu können, wir haben das Jahr mit Bravour überstanden.

Standard: Mit welchen Gefühlen hören Sie auf?

Huber: Mit sehr viel Wehmut. Der ORF hat mehr als vierzig Jahre lang mein Leben stark bestimmt. Es gibt nicht ein lachendes und ein weinendes Auge, es gibt zwei weinende Augen. Wenn man ein gewisses Alter erreicht, kommt eben der Schlusspfiff - im Job wie im Fußballspiel. Auch wenn man sich zwei Minuten Nachspielzeit wünscht.

Standard: Wie geht's weiter?

Huber: Ich habe viele Interessen, und ich arbeite sicher weiter. Ich bin am Sondieren, es gibt Angebote, darunter eines vom ORF, dass ich Konsulent für die Großevents 2010, Olympia und die Fußball-WM, werde. Ich würde aber nicht wie Peter Elstner oder Heinz Prüller für einen Privatsender arbeiten. Das hielte ich für nicht anständig, wenn man so lange hier gearbeitet hat und Abfertigung und Firmenpension kriegt.

Standard: Sind dem ORF vor allem jene Sportarten wichtig, für die er Rechte hat?

Huber: Früher hast du bei der EBU Rechte zu moderaten Preisen gekauft. Dann kamen die Rechtevermarkter, die Rechte wurden teurer. Früher hast du alle interessanten Rechte gekauft. Das kann der ORF finanziell und aus Gründen der Programmierung nicht mehr. Die Verträge beinhalten auch Airtime. Du musst in der Formel 1 auch das freie Training übertragen. Und die Champions League musst du kaufen, bevor fix ist, ob sich ein österreichischer Klub qualifiziert.

Standard: Den Confed Cup kriegt man aber nachgeschmissen.

Huber: Dieser Confed Cup war Teil des WM-Vertrags. Die Fifa will ihn popularisieren, gibt ihn eine Zeitlang günstig her. Dann etabliert er sich, dann musst du ihn extra kaufen, dann steigt der Preis.

Standard: Wie abhängig macht sich der ORF-Sport mit Partnerschaften wie jener mit dem Skiverband?

Huber: Es gibt gar keine journalistischen Einschränkungen. Darauf haben wir immer Wert gelegt, das kann ich auch für alle Vorgänger sagen. Es gab nie einen Interessenkonflikt.

Standard: Sie waren zufrieden mit der Berichterstattung über den Turiner Dopingskandal?

Huber: Turin ist vom ÖSV her unglücklich gelaufen. Aber wir, wir hatten die Bilder von der Razzia. Und diese Bilder sind um die ganze Welt gegangen.

Standard: Hans Knauß, der wegen Dopings gesperrt war, ist Kokommentator für den ORF.

Huber: Der Knauß ist doch freigesprochen worden.

Standard: Ist er nicht.

Huber: Aber er könnte längst wieder Rennen fahren. Und es gab einen Vergleich mit dem Hersteller seines Nahrungsergänzungsmittels. Oder der Goldi - ein dummer Bub, der verführt wurde und einmal einen Blödsinn gemacht hat. Freilich, den Bernhard Kohl könnte ich niemals verpflichten, der wäre ein schlechtes Vorbild.

Standard: Wurde nicht zu Ion Tiriacs Zeiten das Kitzbüheler Tennisturnier übertragen, damit Tiriac als Ecclestone-Freund die Formel 1 sozusagen billiger macht?

Huber: Du bist in erster Linie dem österreichischen Sport verpflichtet. Und es gäbe Kitzbühel nicht ohne ORF. Hunderte Sportveranstaltungen gäbe es nicht ohne ORF-Übertragungen oder Berichte. Ich sag das nicht, um den ORF zu überhöhen. Es ist eine Tatsache. Ein Werbepartner will zunächst wissen, wie viele Minuten einer Veranstaltung im TV zu sehen sind.

Standard: Früher gab's zwei Sender, und aus. Jetzt gibt's ORF Sport plus dazu. Ein Segen für Sportzuseher oder ein Feigenblatt des ORF?

Huber: Dieser Sender ist vor allem eine Hilfe für den österreichischen Sport. Er hat sich etabliert. Der Interessierte kriegt punktgenau sein Programm zu sehen. Du kannst nicht mit jeder Sportart in die zwei Hauptsender. Wenn dort zu wenig Leute zusehen, hat der Sender nichts davon, und die Sportart hat auch nichts davon. ORF Sport plus kostet allerdings auch viel Geld, und in Zeiten wie diesen steht der Sender wirklich infrage.

Standard: Ist nicht allein die Tatsache, dass es Produktionskostenbeiträge gibt, fragwürdig? Unter dem Strich kommt ins TV, wer zahlt.

Huber: Die Sache ist oft anders. Beispiel Gugl-Meeting. Der Veranstalter hat einen Vertrag mit einem ausländischen TV-Sender, in dem Fall Eurosport, und ist zur Produktion verpflichtet. Wir als ORF hätten einen Bericht gemacht mit zwei bis vier Kameras. Der Veranstalter braucht mehr, das erhöht die Produktionskosten. Da ist es normal, dass sich der Veranstalter an den Kosten beteiligt.

Standard: Zwei Sportarten kämpfen um Sendezeit auf ORF Sport plus. Die eine würde zahlen, die andere hat kein Geld. Welche wird übertragen?

Huber: Solange ich da bin und war, hab ich immer nach journalistischen Gesichtspunkten entschieden. Du kannst dir bei uns keine Sendezeit kaufen, das ist die Grundphilosophie. Wenn ich mir das nicht mehr leisten kann, mach ich gleich gar nichts mehr.

Standard: Wie groß ist die Verhaberung im Sport?

Huber: Nicht größer als in der Politik. Nur ist der Fanatismus im Sport noch ausgeprägter. Wenn du heute deine politische Meinung bekennst, nehmen das alle zur Kenntnis. Wenn du sagst, du bist Rapid-Anhänger, sind alle Austria-Anhänger bös. Und vice versa.

Standard: Welchem Klub hängen Sie an?

Huber: Sag ich nicht.

Standard: Sie hören als Letzter der Generation auf, der auch Zimmer, Kuhn, Elstner, Prüller angehörten. Klafft da jetzt eine Lücke?

Huber: Die Generationen davor werden immer verklärt. In meiner Jugend waren es Meisl, Jeschko, Finger. Dann kamen die von Ihnen Angesprochenen, mit denen der Sport einen neuen, besseren Stellenwert bekam. Jetzt wächst wieder eine tolle Generation heran, mit Pariasek, Jirka, Polzer, König. Einst hieß es, wenn einer gar nichts kann, soll er in den Sport gehen. Jetzt sind die Sportjournalisten beim ORF und in den Zeitungen nicht mehr die letzten Trotteln.

Standard: Es sind halt die Trotteln, die am meisten arbeiten.

Huber: Das hab ich auch immer gesagt. Anderswo machen sie am Freitagnachmittag dicht, wir hackeln durch. Der Sport ist ein Ganztags-, Ganzwochen-, Ganzmonats-, Ganzjahresthema geworden.

Standard: In Ihrer "Next Generation" kommt nicht eine Frau vor.

Huber: Wir haben ein bisserl Pech gehabt. Die Tanja Bauer haben wir aufgebaut, sie war auf dem Weg ganz nach oben, ist uns aber zu Premiere abgehaut. Die Uli Schwarz hat sich nicht anstellen lassen, sondern ist Religionslehrerin geworden. Wir haben Veronika Slupetzky, die den Sport moderiert. Wir haben Gabi Jahn, die sehr viele Beiträge macht, wir haben zwei, drei Junge, die lernen. Dieser Beruf ist so beziehungsfeindlich, das schreckt wahrscheinlich viele Frauen ab. Jetzt haben wir dazu das Pech, dass es hier einen absoluten Aufnahmestopp gibt, uns sind die Hände gebunden.

Standard: Letzte Frage. Wieso zeigt der ORF im Europacup immer die Bayern? Gleichzeitig kann's die tollste Partie geben.

Huber: Bayern ist der Verein, der in Österreich am meisten interessiert. Chelsea gegen Inter ist zwar für uns Freaks interessant, aber mit den Bayern hatten wir immer mehr Zuschauer. Die einen wollen die Bayern gewinnen, die anderen wollen sie verlieren sehen.  (Christian Hackl, Fritz Neumann, DER STANDARD Printausgabe, 27.6.2009)