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Experten schätzen, dass beim Tunguska-Ereignis 60 Millionen Bäume auf einer Fläche von 2.000 Quadratkilometern umgeknickt wurden.

Foto: AP

Ithaka - Es war eine der gewaltigsten Explosionen des vergangenen Jahrhunderts. Beim sogenannten Tunguska-Ereignis in Sibirien wurden Ende Juni 1908 über 2000 Quadratkilometer Wald zerstört und selbst in großer Entfernung noch Scheiben eingedrückt. Der Donner war Dutzende Kilometer weit zu hören.

Was diese gigantische Explosion verursacht hat, ist bis heute Gegenstand wissenschaftlicher Kontroversen, zumal es keinen Einschlagkrater und keine Meteoritenfunde gibt, die bei der Klärung helfen würden. Forscher gehen jedenfalls davon aus, dass der Himmelskörper bereits in der Atmosphäre explodiert sein muss. Doch was es genau war - ein Planetoid aus Gestein oder ein Komet aus Eis -, ließ sich bis jetzt nicht eindeutig sagen.

Wolkige Parallelstrukturen

101 Jahr nach dem mysteriösen Ereignis gibt es nun eine ziemlich plausible Antwort, die ausgerechnet durch den Start von Space-Shuttles möglich wurde. Konkret geht es um ein seltenes Wolkenphänomen, das sich sowohl nach Shuttle-Starts wie auch der Tunguska-Explosion zeigte, wie nun US-Forscher im Fachblatt "Geophysical Research Letters" (online vorab) berichten.

Nachdem nämlich Shuttles abgehoben und mit einem beeindruckenden Abgasstrahl gen Weltraum abgedüst sind, kann man wenige Tage später und oftmals in tausenden Kilometern Entfernung leuchtende Nachtwolken sehen, die aus winzigen Eiskristallen bestehen. Diese bilden sich normalerweise im Sommer über den Polargebieten in großen Höhen von bis zu 85 Kilometern - der sogenannten Mesosphäre. Im Fall der Shuttle-Starts entstehen sie durch die rund 300 Tonnen Wasserdampf, die dabei in die Atmosphäre abgegeben werden

Genau dieses Wolkenphänomen war aber auch wenige Tage nach dem Tunguska-Ereignis zu beobachten. Die Wissenschafter um Michael Kelley von der Cornell University schließen daraus, dass ein Komet aus Eis - und kein Planetoid - beim Eintritt in die Atmosphäre zerborsten sein muss.

Also Folge davon wurden die Wasserpartikel vermutlich durch Wirbelströme in der Mesosphäre erfasst und mit bis zu 330 Kilometern pro Stunde vom Ort ihrer Freisetzung weggetragen. Das erkläre, warum die leuchtenden Nachtwolken im Jahr 1908 erst Tage später und zum Beispiel im 5000 Kilometer entfernten England gesichtet worden seien. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 27./28. 6. 2009)