Der Bürgermeister der Marktgemeinde Nenzing in Vorarlberg schreibt, um über sein Projekt "Sprachfreude" zu berichten, das sich besonders an Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache (in Vorarlberg= Türken) wendet. Bürgermeister Florian Kasseroler hat auch Schwierigkeiten, weil er dem türkischen Verein Atib ein Grundstück für ein Gebetshaus zur Verfügung stellen möchte. Er ist übrigens bei der FPÖ. Kasseroler meldet sich, "weil es 'da draußen' mehr Menschen gibt, als man glaubt, die sich für Menschlichkeit und ein gutes Miteinander einsetzen".

Da hat er recht - und über diese oft stillen Aktivisten und Selbstausbeuter an der Integrationsfront wird viel weniger berichtet als über die Hetzer und Schreier. Tatsächlich gibt es viele Initiativen, oft privat, die einiges berichten können. Das sind keine "Gutmenschen", wie der schwachsinnige Terminus lautet, sondern meist klaräugige Realisten, die sich über die Defizite der Migrantenkulturen (schlechte Behandlung von Frauen, Bildungsferne, übertriebener Nationalismus) sehr wohl im Klaren sind. Die aber trotzdem wissen, dass man ein Problem nicht durch Ignorieren oder Hetzparolen bewältigen kann.

Monika Bundt ist Leiterin des "BürgerInnenservice" in Neumarkt am Wallersee, Salzburg, der normalerweise Betreuung für Kleinkinder/Schüler/Jugendliche anbietet: "Ich stieß vor einigen Jahren zufällig auf eine türkische Familie. Die Ehefrau lebte seit 13 Jahren hier, verheiratet, 3 Kinder. Versorgt die Familie samt Schwiegereltern - und sprach nicht deutsch. Also organisierte ich über meinen Verein einen Deutschkurs speziell für Frauen, der (ich holte den Segen des Imam ein) gut angenommen wurde." Ein weiteres Projekt, bei dem auch die kulturellen Probleme angesprochen werden, läuft. Aber, so Frau Bundt: "Das ist alles nur ein Tropfen auf einem heißen Stein."

Aber es sind nicht nur "Migrantenkinder", die Deutsch nicht beherrschen und Schwierigkeiten haben, mit der modernen Leistungsgesellschaft zurechtzukommen, wie Erich Pammer, der Leiter des Pädagogischen Zentrums in Perg, OÖ, berichtet: "Die Erfahrung zeigt, dass hier sehr viel auf Migrantenkinder geschoben wird, obwohl es nicht allein dort liegt. Weit mehr als die MigrantInnen machen inzwischen Kinder mit Verhaltensschwierigkeiten Probleme, die letzten Endes zu uns ressortieren: Kinder mit sonderpäd. Förderbedarf, ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung), Gewalt, Aggression, Depressionen. In vielen Schulen ist ein ,normaler' Unterricht ja kaum mehr möglich, weil wir uns nur mehr mit Disziplinierungen beschäftigen müssen." Eine Band seiner Kids hat soeben einen Kreativpreis des o.ö. Schul- und Erziehungszentrums gewonnen.

Unermüdliche und Frustrationsgefährdete dieser Art gibt es viele in diesem Land, sie tun einfach das, was getan werden muss. Sie haben einen Einblick in die reale Welt da draußen, wie ihn Politiker nur selten bekommen. Sie kämpfen um Geld, Anerkennung und gegen die aggressive Dummheit. (Hans Rauscher, DER STANDARD Print-Ausgabe, 27./28.06.2009)