Foto: Regine Hendrich, Der Standard

Gutiérrez-Lobos: "Es ist ganz wichtig, sich schnell zusammenzuschließen und mit anderen Frauen auszutauschen und Mentorinnen zu haben."

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STANDARD: Die Rektorenschaft - mittlerweile wieder eine 21-köpfige Herrenrunde - hegt zarte Ängste vor der 40-Prozent-Frauenquote, die ihr die Politik mit der Uni-Gesetz-Novelle auferlegt. Können Sie diese Angst ein bisschen lindern?

Gutiérrez-Lobos: Es sind sogar 22 Männer, denn das Exzellenzinstitut in Gugging bekommt auch Uni-Status und hat auch einen Mann an der Spitze. Ich verstehe die Ängste natürlich. Jeden Job, den eine Frau bekommt, bekommt ein Mann weniger. Wenn man es aber ernst nimmt, dass die Unis besser werden und wettbewerbsfähig sein und auch ihre gesellschaftliche Rolle erfüllen wollen, dann kann niemand mehr auf das Potenzial von Frauen verzichten. Und es geht natürlich um Chancengleichheit.

STANDARD: Was erhoffen Sie sich von der Frauenquote? Jetzt gibt es zwar 53,8 Prozent Studentinnen, aber nur 15,3 Prozent Professorinnen.

Gutiérrez-Lobos: Ich erhoffe mir das, was die Männer wahrscheinlich fürchten: dass es gelingt, tatsächlich mehr Frauen in Positionen zu bringen, wobei man bei der Nachwuchsarbeit sehr früh ansetzen muss. Es müsste ein Gesamtprojekt ab der Volksschule sein, wie man Frauen ermutigt, zu studieren bzw. auch bestimmte Fächer zu studieren. Die Quote selbst finde ich ausgezeichnet. Quoten sind ein demokratisches Mittel, und sie sind ja nicht unabhängig von der Exzellenz der Kandidatin.

STANDARD: Das fürsorgliche Argument der Quotenkritiker lautet, die Frauen könnten überfordert sein, wenn sie dank Quote künftig Forschung und Lehre und gremiale Macht dazu bewältigen müssen.

Gutiérrez-Lobos: Das ist ein Argument, das ich oft höre und das vielleicht nicht ganz an den Haaren herbeigezogen ist. Aber Frauen an den Unis mussten ja schon immer mehr leisten, um eine Chance zu haben. Laut Novelle soll der Mittelbau, wo es mehr Frauen gibt, im Senat mehr Stimmen bekommen - eine Möglichkeit der weiblichen Mitgestaltung. Und der Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen bekommt entscheidenden Einfluss bei der Besetzung von Kommissionen und Gremien.

STANDARD: Das mathematische Argument der Quotengegner lautet: Es gibt einfach nicht genügend Frauen, um Habilitations- und Berufungskommissionen, Senate und Rektorate mit 40 Prozent Frauen zu beschicken.

Gutiérrez-Lobos: Es gibt genug Frauen, man muss sie nur finden wollen. Interessanterweise sind die Vizerektorate ja mit fast 30 Prozent Frauen besetzt. Das scheint also nicht das Problem zu sein. Bei der Rektorswahl 2011 gibt es sicher genug qualifizierte Frauen, die zur Verfügung stehen würden. Das Mengenargument ist ein Scheinargument. Die Unis müssen frühzeitig Forscherinnen aktiv requirieren. Dabei geht es auch um einen Kulturwandel. Die Unis - aus Orden entstanden - sind klassische, männlich strukturierte Organisationen, die auf männliche Bedürfnisse zugeschnitten sind. Wir müssen daher die Spielregeln auf der Uni so verändern, dass sich Frauen auch entfalten können.

STANDARD: Apropos Vizerektorate als Rektorinnen-Pool. An der Med-Uni Innsbruck wurde die renommierte Kardiologin Margarete Hochleitner nicht Rektorin, weil sie laut Uni-Rat beim Kreuzverhör "Tränen in den Augen hatte" . Ihre "Emotionalität" war dann großes Thema. Wie beurteilen Sie diesen Fall?

Gutiérrez-Lobos: Ich glaube, das ist ein Lehrstück über genderspezifische Benachteiligung. Wenn das alles stimmt, was ich den Medien entnehme, ist das genau die Sprache, mit der Frauen über Vorurteile und Klischees - "Frauen sind so emotional" - zu Fall gebracht werden. Ich kenne jedenfalls kein Protokoll, wo drinsteht, ein Mann hat mit fester Stimme und ernstem Blick über etwas gesprochen. Ich würde mir sehr wünschen, dass diese Entscheidung aus diesem Grund aufgehoben wird, auch weil ich sonst das Schlimmste befürchte für das besagte Jahr 2011. Dazu kommt noch die Neugestaltung der Rektorswahl, die nicht frauenfreundlich ist. Mehr Verfahrens-transparenz würde die Chance für Frauen erhöhen.

STANDARD: Eine Institution, die der Quotendoktrin der Regierung entkommen ist, ist das Elite-Institut in Gugging, das bis jetzt quasi ein Männerverein ist. Verstehen Sie die Dispensierung von der Quote?

Gutiérrez-Lobos: Nein. Jetzt sind drei Professuren besetzt worden - alle mit Männern. Auch das Aufnahmeverfahren wird nur von Männern geleitet, da gibt es keinen Arbeitskreis, offenbar auch nicht die Aufforderung, dass sich besonders qualifizierte Frauen bewerben sollen. Das ist ein Rückschritt, und ich würde mir auch hier eindeutige gesetzliche Regelungen wünschen: Frauenquote auch für das Exzellenzinstitut in Gugging.

STANDARD: Ihr Rat an Studentinnen, die in die Wissenschaft möchten?

Gutiérrez-Lobos: Es ist ganz wichtig, sich schnell zusammenzuschließen und mit anderen Frauen auszutauschen und Mentorinnen zu haben. Wissenschaft - und das gilt ja für Männer auch - ist eine klassische Netzwerkarbeit. Die Rektorswahl an der Med-Uni Innsbruck ist kein Einzelfall. Ich selbst habe gelernt, nichts persönlich zu nehmen an Vorurteilen und versteckten Diskriminierungsversuchen. Wenn Frauen fleißig sind, sind sie karrieregeil. Wenn Männer fleißig sind, sind sie tüchtig. Davon darf man sich nicht beirren lassen. (DER STANDARD-Printausgabe, 30.6.2009)