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Amelie Mauresmo und Dinara Safina hatten die Ehre in Wimbledon erstmals unter geschlossenem Dach zu spielen.

REUTERS/Toby Melville

London - Früher gefürchtet, diesmal herbeigesehnt: Eine ganze Woche hat es gedauert, bis in Wimbledon die ersten Regentropfen fielen und das neue Dach über dem Center Court Premiere feiern konnte. Am Montag, 17.46 Uhr (MESZ) begann bei den All England Championships eine neue Zeitrechnung. Beim Achtelfinale zwischen Dinara Safina und Amelie Mauresmo aus Frankreich wurde unter dem Beifall der 15.000 Zuschauer in dem für 120 Millionen Euro ausgebauten Stadion das Glasdach einer Ziehharmonika gleich über das Stadion gezogen.

Noch am Morgen hatte niemand Regen für möglich gehalten. Mindestens bis zum Freitag, so die Prognose der in früheren Jahren vielbeschäftigten Meteorologen des Londoner Wetterdienstes, sollte es trocken, sonnig und heiß bleiben. Und fast wirkte es, als hätten die Wimbledon-Organisatoren extra einen Regenmacher bestellt. Denn schon nach wenigen Minuten war der Wasserhahn wieder zu.

"Wir haben das Dach nicht gebaut, weil wir auf Regen hoffen, sondern damit wir auch bei Regen weiterspielen können", betonte der Geschäftsführer des All England Lawn Tennis & Crocket Clubs, Ian Ritchie. Für das Dach, das sich binnen zehn Minuten schließen lässt, war jahrzehntelang gestritten worden. Die Traditionalisten wollten nicht, doch das Fernsehen drohte - und das TV-Geld siegte.

Wimbledon konnte sich den Neuerungen nicht verschließen, zumal der Konkurrenzkampf mit den anderen drei Grand-Slam-Veranstaltern hart ist. Dem tragen die Macher an der Church Road seit mehr als 13 Jahren Rechnung, ohne dass es den Zuschauern wirklich bewusst wird. Der Mythos und der einzigartige Charme sind durch die umfangreichen Um- und Ausbauten nicht beschädigt worden. Auch in den kommenden Jahren soll die gepflegte Anlage im Londoner Südwesten weiter verändert werden.

Nach diesem Wimbledon rücken die Bulldozer wieder an. Dann wird der legendäre "Friedhof der Stars", der Court Nummer drei, abgerissen. An seiner Stelle wird ein kleines modernes Stadion entstehen, ähnlich dem, das am Rande der Anlage dieses Jahr eingeweiht wurde. Auf diesem schmucken Platz, der immerhin 4.000 Zuschauern Platz bietet, wird die Kunst deutlich, Tradition und Moderne funktionell zu vereinen. Müßig zu erwähnen, dass auch dieses Mini-Stadion gepolsterte Sitze hat, ohne Werbebanden auskommt und im obligatorischen Dunkelgrün gehalten ist.

Angefangen hat der Wandel in Wimbledon mit dem Abriss des alten Courts Nummer eins, den Spieler, Medien und Fans ehrfurchtsvoll "Hinterhof des Henkers" nannten. Dieser Platz, auf dem sich Boris Becker den Arm brach, den der fünfmalige Champion Roger Federer aber nur vom Hörensagen kennt, musste einem neuen Spielertrakt und Pressezentrum weichen. Er wurde auf einer Wiese unweit des Center Courts neu gebaut. Ohne Dach, was damals selbstverständlich war, schon bald aber geändert werden soll.

"Wimbledon verändert sich ständig, aber niemand empfindet es als störend", meinte Becker, der auch in diesem Jahr als Kommentator für die BBC arbeitet. Wie früher in Regenpausen üblich, sind die großen Matches des dreimaligen Wimbledonsiegers in diesem Jahr noch nicht einmal über die Bildschirme geflimmert. Das wird sich auch kaum ändern, denn quälende Wartezeiten wird es dank des Ziehharmonika-Dachs nicht mehr geben. (APA/dpa)