Die Autonomen Österreichischen Frauenhäuser haben indes auf die von Soziologieprofessor Amendt geforderte generelle Abschaffung der Einrichtungen reagiert. Im Folgenden lesen Sie den Offenen Brief vom 24. Juni 2009:

"Sehr geehrter Herr Prof. Amendt!

Mit Empörung haben wir Ihren frauenfeindlichen Kommentar 'Hort des Männerhasses. Warum das Frauenhaus abgeschafft werden muss', gelesen, der in der deutschen Zeitung Die Welt am 16. Juni 09 veröffentlicht und sogar zum Anlass genommen wurde, zu einer Abstimmung über die Abschaffung von Frauenhäusern aufzurufen.

Frauenhäuser waren die ersten Einrichtungen in Europa, die Gewalt an Frauen und Kindern in den 1970er erstmals sichtbar und das hohe Ausmaß der Gewalt an Frauen und Kindern öffentlich gemacht haben. Sie bieten seither tausenden von Frauen und ihren Kindern Schutz vor Männergewalt an. Frauenhäuser haben aufgezeigt, dass Gewalt an Frauen Ausdruck einer Gesellschaftsstruktur ist, in der Männer ihre Dominanz gegenüber Frauen zum Ausdruck bringen und Frauen als gleichwertige Partnerinnen ablehnen.

Die weltweiten jährlichen Mordraten an Frauen belegen, wie viele Frauen von massiver Gewalt betroffen sind. Allein in Spanien wurden 2007 69 Frauen von ihren Partnern ermordet, das sind monatlich fast 6 Frauen. In Österreich wurden vergangenes Jahr laut Kriminalstatistik 18 Frauen Mordopfer in einer familiären Beziehung in einer Hausgemeinschaft und 9 Frauen in einer familiären Beziehung, außerhalb der gemeinsamen Hausgemeinschaft. Das sind monatlich mehr als zwei Morde an Frauen. In Frankreich und Russland ist die Zahl noch wesentlich höher.

Das hohe Ausmaß der Gewalt an Frauen ist vielfach belegbar und belegt, sei es durch die Erfahrungen aus der Praxis, als auch durch die Zahlen der Frauenhäuser, Interventionsstellen, die Polizeistatistik, aber auch empirisch, wie zahlreiche wissenschaftliche Erhebungen zeigen, so auch die umfassende und repräsentative Prävalenzstudie aus dem Jahr 2004, im Auftrag des BM für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Deutschland, an der viele renommierte Forscherinnen mitgewirkt haben.

Daher ist es nicht verwunderlich, dass mittlerweile Gewalt an Frauen von der Politik und weltweit von allen wichtigen internationalen Institutionen wie UNO, WHO, EU, Europarat und OSCE als ein gravierendes gesellschaftliches Problem gesehen und als häufigste Menschenrechtsverletzung unserer Zeit anerkannt wird. Nicht nur sein Vorgänger, sondern auch der amtierende UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, bekennt sich dazu mit den Worten: "Gewalt gegen Frauen ist immer ein Verbrechen und niemals akzeptabel. Gewalt gegen Frauen zählt weltweit weiterhin zu einer der abscheulichsten, systematischsten und am weitesten verbreiteten Verletzungen der Menschenrechte. Sie ist eine Gefahr für alle Frauen und eine Behinderung all unserer Bemühungen für Entwicklung, Frieden und Gleichheit der Geschlechter in allen Gesellschaften" (25. November 2007, Erklärung zum Internationale Tag für die Beseitigung der Gewalt gegen Frauen).

Auch der Europarat mit seinen 47 Europäischen Staaten ruft in seinen Empfehlungen alle Mitgliedstaaten wiederholt auf, alles zu tun, um Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder zu verhindern und Maßnahmen auf allen Ebenen zu entwickeln und die Opferrechte auszubauen. Der Europarat arbeitet heuer konkret an der Entwicklung einer Europäischen Konvention als verbindliches und völkerrechtliches Instrument, um die Rechte für von Gewalt betroffene Frauen in allen Ländern zu stärken und wirksam dagegen anzukämpfen. (siehe www.coe.int/violence)

Internationale Dokumente weisen darauf hin, dass Gewalt an Frauen ein geschlechterspezifisches Problem darstellt und überproportional mehr Frauen als Männer von Gewalt in der Familie betroffen sind. (siehe auch: http://www.wave-network.org/start.asp?ID=23091) Österreich hat Gewalt an Frauen bereits in den 1990er Jahren als politisches Problem anerkannt und gemeinsam mit Frauenhausmitarbeiterinnen, Polizei und Justiz ein vorbildliches Gewaltschutzgesetz entwickelt, welches auch von Deutschland und zahlreichen europäischen Ländern übernommen wurde. Die Österreichische Regierung hat dieses Gesetz in den letzten Jahren mehrfach im Sinne des Opferschutzes novelliert und verbessert. Auch die Polizei sieht in diesem Gesetz ein wirksames Instrument, sie kann seither Opfer vor wiederholter und schwerer Gewalt schützen und Täter zur Verantwortung für ihr gewalttätiges Verhalten ziehen.

Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes in Österreich wurden mehr als 52.000 Wegweisungen ausgesprochen. 2008 waren es 6566 Wegweisungen und Betretungsverbote in ganz Österreich. Laut Statistik der Interventionsstelle 2008 waren 91 Prozent der Opfer Frauen und 91 Prozent der Täter männlich, meist Ehemänner, Ex-Ehemänner, Lebensgefährten und Freunde etc.). Die österreichische Polizei ist beinahe stündlich (17-20 Mal täglich) im Einsatz gegen Gewalt in der Familie im Zusammenhang mit den Gewaltschutzgesetzen.

Herr Amendt, Sie werfen allen Regierungen, PolitikerInnen, internationalen Behörden, Opferschutzeinrichtungen als auch ForscherInnen die sich in den letzten Jahren intensiv mit diesem Phänomen auseinandergesetzt haben Inkompetenz und Unprofessionalität vor. Zugleich vermissen wir in Ihrem Artikel die Angaben jeglicher seriöser Quellen und Studien.

Wir fordern Sie als Universitätsprofessor für Genderforschung auf, die von Ihnen erhobene Behauptung der Scheidungsväter, dass angeblich 60% der Gewalttaten von deren Partnerinnen initiiert wurden, nicht ungeprüft zu übernehmen, ohne die Partnerinnen über die Ereignisse befragt zu haben. Ihr Kommentar zeigt auf, dass Ihnen entsprechendes Wissen über die Arbeit von Frauenhäuser fehlt. Es dürfte an Ihnen vorbeigegangen sein, dass die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser seit langem trotz parteilicher Arbeit für die Frauen und ihre Kinder seit Jahren mit Wissenschaft, Politik, Justiz, Polizei, Jugendamt, sowie mit allen relevanten Stellen zusammenarbeiten. Aus dieser engen Kooperation sind z.B. die gesetzlichen Maßnahmen wie die obengenannten Gewaltschutzgesetze entstanden und diese haben viel zum gegenseitigen Verständnis und zum Abbau von Vorurteilen bzgl. Gewalt gegen Frauen geführt.

Und wenn Sie sich für die Abschaffung von Frauenhäusern einsetzen, ignorieren Sie, dass Frauenhäuser auch Schutz für männliche Kinder anbieten. Frauenhäuser lehnen jede Form der Gewalt ab, auch wenn sie von Frauen gegenüber ihren Ehepartner oder Kindern ausgeübt wird. Wir lesen Ihren Kommentar als Bestätigung für die Notwendigkeit unserer Arbeit. Er zeigt uns, dass offenbar noch viel Bewusstseinsarbeit geleistet werden muss, insbesondere auf der empirischen Ebene.

Wegen Ihrem Aufruf, dass ein Diskurs zur Thematik an Universitäten und Fachhochschulen notwendig ist, möchten wir Sie darauf hinweisen, dass es diesen und eine profunde wissenschaftliche Auseinandersetzung an vielen Universitäten bereits gibt. Wir möchten Ihnen daher ans Herz legen, sich verstärkt mit langjährigen ExpertInnen und WissenschafterInnen in Verbindung zu setzen, damit Sie in Zukunft Ihre einseitigen Meinungen nicht mit dem wissenschaftlichen Stand der Forschung verwechseln.

Mit besten Grüßen
Maria Rösslhumer
Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser"

Die Statistik der Frauenhäuser in Österreich finden Sie unter: http://aoef.at/material/index.htm.