Wien - Eva Hieblinger-Schütz ist eine Hobbyläuferin. "Laufen ist nicht mein Ehrgeiz", sagt sie selbst, "ich bin Mitte dreißig, habe vor einem Jahr wieder mit dem Training begonnen, habe ein kleines Kind und bin Rechtsanwältin." Als der Österreichische Leichtathletik-Verband (ÖLV) vor kurzem für die Team-EM eine 5000-m-Läuferin suchte, wählte er dennoch die Freizeitsportlerin. Sie weist aufgrund des Angebotsmangels an Langstrecklerinnen die beste Zeit über diese Distanz auf (17:09, EM-Limit: 15:50!). Der ÖLV kann nichts dafür, dass Österreicherinnen nicht mehr weit laufen wollen, aber er hätte eine andere Läuferin wählen müssen.

Die Tatsache, dass Hieblinger-Schütz mit der zweifach positiv getesteten Susanne Pumper seit vielen Jahren eng befreundet ist (Hieblinger-Schütz: "Das wird sich auch nicht ändern"), spricht noch gar nicht so sehr gegen sie. Sippenhaftung gehört sich auch im Sport nicht. Auch die Angriffe und Vorbehalte gegen Eva Gradwohl wegen ihres Lebensgefährten, des ehemaligen ÖSV-Langlauftrainers Walter Mayer, waren unstatthaft.

Der ÖLV bestand auf Hieblinger-Schütz und offenbarte eine peinliche Systemlücke. Die Dame reiste nach Banska Bystrica und wandte sich flugs an den Verbandsarzt Eduard Lanz. Sie wies auf ihre Atembeschwerden hin und fügte treuherzig hinzu, einen Asthmaspray zu benützen. Hieblinger-Schütz: "Ich bin selbst erst durch die Zeitung und den Fall der Kate Allen auf das Problem aufmerksam geworden." Die Triathletin und Olympiasiegerin Allen hatte bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen zwar eine Genehmigung des Internationalen Verbandes, aber nicht des IOC für ihren Asthmaspray. In einer nächtlichen Aktion erwirkte ÖOC-Betreuer Hans Holdhaus eine Ausnahmegenehmigung und rettete die Goldene.

Ärztliche Verschreibung

Warum Hieblinger-Schütz erst am Wettkampfort und nicht vor der Abreise mit dem Problem herausrückte? ÖLV-Sportdirektor Hannes Gruber: "Extrem naiv." Wie jemand heutzutage als Wettkampfsportlerin einen Asthmaspray verwenden und nicht auf Dopingverträglichkeit testen kann, wird hoffentlich Hieblinger-Schütz' Geheimnis bleiben. Zeit genug hätte sie gehabt. "Ich habe eine ärztliche Verschreibung dafür", sagt sie, "ich verwende ihn immer wieder und hatte den Allergietest mit." Während der vielen gemeinsamen Stunden mit Pumper sei die Rede zwar des Öfteren auf diverse Dopingmittel gekommen. "Aber nie auf Asthmasprays."

Warum ein Verband, der ernstgenommen werden will, in einer Zeit fundamentalistischer Dopingdiskussion eine Athletin für einen internationalen Wettkampf nominiert, die so schwach ist, dass sie es in keinen Kader schafft, daher keinerlei Dopingwarnung kriegt und keine Doping-Abstinenz-Erklärung unterschreiben muss? Gruber will "daraus lernen. Künftig kriegt jeder, der für ein Nationalteam aufgestellt wird, eine Anti-Doping-Information."

Hieblinger-Schütz wurde in Banska Bystrica von den entsetzten Funktionären umgehend heimgeschickt. Tanja Lenhart, am Tag zuvor über 3000 m Hindernis ausgeschieden, lief über 5000 m tapfer auf den letzten Platz. Österreich (180,5 Punkte) parkte sich hinter Litauen (216), Irland (200,5) und Lettland (181) auf dem vierten Platz ein. Knapp vor der Slowakei (180). In der zweiten Liga. Die Eliteklasse gewann Deutschland vor den Russen und den Briten.

Bleibt die Frage, ob die in keinem Testpool registrierte Nicht-Kaderläuferin Hieblinger-Schütz die Silberne über 3000 m bei den Österreichischen Hallenmeisterschaften asthmafrei errang. Und wie viele asthmatische oder anderweitig beeinträchtigte Teilzeitathleten in Österreichs Meisterschaften und Nationalteams unbelästigt von Kontrollen wetteifern. (Johann Skocek, DER STANDARD Printausgabe 06.07.2009)