Foto: Christian Fischer

Schwechat - Das Copyright gehört den Japanern. Sie haben das TV-Spiel Takeshi's Castle erfunden, in dem unzählige Kandidaten zum Gaudium der Zuseher mit mehr oder weniger Geschick diverse Übungen absolvieren. Schwechat bei Wien hat die Idee aufgegriffen, das Spiel in Form und Titel ("Takeshi" ohne Castle) leicht verändert und kindergerecht gemacht. Zum zehnten Mal bereits fanden sich gen Schulschluss an zwei Takeshi-Tagen fast zweitausend Kinder im Freizeitzentrum ein. Sie kraxelten, schwammen, tauchten, balancierten, rutschten. Kurz: Sie spielten, sie sportelten.

Für die sieben Schwechater Schulen (vier Volks-, zwei Haupt-, eine Mittel-) führt an Takeshi kein Weg vorbei, die Gruppen werden von Lehrern begleitet. Organisator ist die SVS (Sport-Vereinigung Schwechat), mit der Schwechat (16.329 Einwohner) seit Jahren so viele Kinder in Bewegung bringt wie in der Relation keine andere österreichische Stadt. Karl Hanzl, SVS-Obmann und in der Stadtgemeinde für Jugendsport zuständig, vermisst österreichweite Zahlen und kann also nur über den Daumen vergleichen. Er ist überzeugt, dass "sich imSchnitt doppelt so viele Schwechater Kinder doppelt so viel bewegen wie österreichische Kinder im Schnitt" .

"Takeshi" ist nur Pars pro Toto. Dem Schwechater Sportkonzept liegt eine zusätzliche Turnstunde für alle Volksschulklassen zugrunde, sie wurde von der SVS ab 1994 nach und nach und mithilfe der Politik durchgesetzt. Bei Hannes Fazekas (SP), Bürgermeister und Nationalratsabgeordneter, lief die SVS offene Türen ein. "Die Stadt bezahlt sechzig Sportlehrer" , sagt er, "und garantiert so die Nachwuchsarbeit." Kosten: 150.000 Euro im Jahr. Fazekas: "Wir wollen nicht Spitzensportler züchten, es geht um einen gesundheitspolitischen Zugang. Das Geld ist gut angelegt. Es gibt breiten politischen Konsens." Die Beteiligung der Kinder über den erfassten Zeitraum liegt bei 95 Prozent.

Dass Schwechat, die Flughafen- und Braustadt, als Sportstadt ein neues Standbein bekam, verdankt sie auch der zweiten SVS-Schiene, dem Spitzensport. Werner Schlager, der 2003 letzter nichtchinesischer Weltmeister war, spielt Tischtennis, Markus Rogan schwimmt für Schwechat. Die Spitzensportler zeigen sich den Kindern als Vorbilder, manche wie Karin Mayr-Krifka (Leichtathletik) oder Judith Herczig (Tischtennis) werden Betreuer. Etliche Sportvereine wanderten bereits aus Wien zur SVS ab, zumindest auf dem Papier. Die Post-Volleyballerinnen und -Basketballerinnen, heuer jeweils Meister, spielen zwar (noch) in Wien, aber für die SVS. Und ab 2010 steht in Schwechat eine adäquate Halle für 2500 Zuseher, Teil der "Werner Schlager Academy" (derzeit in Bau).

Hinzu kommt, dass dem Land Niederösterreich Erfolge mehr wert sind. Etliche Sportfunktionäre bekritteln, dass Wien einen Cupsieg oder Meistertitel (allgemeine Klasse) gar nicht prämiert, während Niederösterreich bis zu 35.000 (Cup) bzw. 75.000 Euro (Meister) lockermacht. Selbst für Nachwuchstitel gibt's in Niederösterreich bis zu 7500 Euro.

Schwechats Hauptaugenmerk liegt jedenfalls nicht auf dem Fußball, wobei auch die Kicker recht erfolgreich sind. Nicht unwitzig: Sie bestritten zuletzt die Wiener Stadtliga, wurden Erste, stiegen in die Regionalliga auf.

Bürgermeister Fazekas wies in einer Studie nach, dass Sport der Gesundheit der Pflichtschüler zuträglich ist. Auch in Schwechat, sagt er, gibt es Kinder, denen der Sport sonst wo vorbeigeht. "Aber wenn hunderte junge Menschen eingebunden sind" , sagt er, "bringt das viel." Die SVS setzt mittlerweile schon in Kindergärten den Hebel an. Anderswo haben Kindergärtner(innen) Angst, bei Unfällen zu haften, Schwechat stellt ihnen ausgebildete Sportlehrer zur Seite. Die größte SVS-Sektion, der ClubA (Fitness) mit mehr als tausend Mitgliedern, versammelt freilich auch viele Senioren. Allein "Takeshi" ist kein Thema für sie.  (Fritz Neumann - DER STANDARD PRINTAUSGABE, 8.7. 2009)