Wien - Zwischen Israel und der EU ist es zu einem ungewöhnlich scharfen Konflikt rund um die Siedlungspolitik gekommen. Im Zentrum des Streits steht ein vom Vertretungsbüro der EU-Kommission in Ostjerusalem herausgegebenes Kommuniqué.

In dem Papier wird die Auszahlung eines Millionenbetrages zur Unterstützung der Palästinenser bekannt gegeben. Die Kommission legt aber auch die Gründe für die Misere der palästinensischen Wirtschaft dar, und genau das erzürnte die Israelis. Die Siedlungen und die Straßensperren „erwürgen" die palästinensische Ökonomie, heißt es in dem Bericht. Die Palästinenser seien von ausländischer Hilfe abhängig: „Und die europäischen Steuerzahler zahlen den höchsten Preis für diese Abhängigkeit".

Das israelische Außenministerium bestellte umgehend den EU-Botschafter ein: Der EU-Vertreter in Ostjerusalem solle „sich auf seine Aufgaben konzentrieren, anstatt unbegründete Anschuldigungen zu erheben", hieß es aus Jerusalem. Das Kommissions-Büro in Ostjerusalem, das für die Palästinensergebiete zuständig ist, leitet ein Österreicher, der EU-Diplomat Christian Berger. Berger ist allerdings auf Urlaub, das strittige Papier stammt von seinem Vize.

Der Stab von Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner versuchte am Mittwoch zu kalmieren: Man bleibe bei der Kritik an den Siedlungen, das Wort „erwürgen" würde sie nicht benutzen, sagte Ferrero-Sprecherin Christiane Hohmann dem Standard .

Wirbel um neue Wohnungen

Der Konflikt dürfte mit einer lokalen Initiative der EU ebenso zusammenhängen wie mit dem veränderten globalen Umfeld, sagen westliche Diplomaten. Die Union versucht verstärkt die Aufmerksamkeit der Palästinenser auf ihre wichtige Rolle im Nahen Osten zu lenken. Zu wenigen Menschen sei bekannt, dass die EU der größte Financier der Palästinenser sei. Allein 2009 zahlte Brüssel 202 Millionen Euro.

Das Kommuniqué fand jedenfalls Beachtung, die palästinensische Presse berichtete ausführlich.

Viel wichtiger als der PR-Faktor dürfte aber sein, dass US-Präsident Barack Obama zuletzt einen kompletten israelischen Baustopp in den Palästinensergebieten gefordert hat. In Obamas Kielwasser könne nun auch die Kommission offenere Worte wählen, sagen Nahostexperten. Derzeit suchen Israel und die USA zwar wieder eine Annäherung. Einen Bericht der israelischen Tageszeitung Ma'ariv, wonach die USA Israel den Bau von 2500 Wohnungen im Westjordanland doch zugestehen will. Das US-Außenministerium dementierte die Berichte am Abend.

Mit dem Streit gehen aber auch die Irritationen zwischen der EU und Israel weiter. Die Union hat nach dem Gazakrieg eine im Juni 2008 geplante Intensivierung ihrer Beziehungen zu Israel auf Eis gelegt. Geplant war eine weitgehendere Integration Israels in den EU-Binnenmarkt sowie die israelische Teilnahme an EU-Programmen und Forschungsvorhaben. (András Szigetvari, DER STANDARD, Printausgabe, 9.7.2009)