Bild nicht mehr verfügbar.

Dalia Grybauskaite, Präsidentin

Foto: AP/Kulbis

Vilnius - Die 53-jährige Dalia Grybauskaite hat am Sonntag offiziell die Funktion des Staatsoberhauptes in Litauen übernommen. Die bisherige EU-Budgetkommissarin ist die erste Frau in diesem Amt. Sie war am 17. Mai dieses Jahres in direkter Volkswahl mit einer überwältigenden Mehrheit von 68 Prozent der Stimmen auf Anhieb zur Nachfolgerin des bisherigen Präsidenten Valdas Adamkus gewählt worden.

Grybauskaite schwor den Amtseid am Vormittag im Rahmen einer Sondersitzung des Parlaments (Seimas) in Vilnius. Davor verabschiedete sich der 82-jährige Adamkus mit einer bewegten Rede, in der er die dringende Notwendigkeit von weiteren Reformen in Litauen betonte, von den Abgeordneten.

Reformen angekündigt

Grybauskaite will sich in den kommenden fünf Jahren für tiefgreifende Reformen sowie gegen die verbreitete Korruption in Justiz und Wirtschaft engagieren. Die 53-jährige kündigte in ihrer Antrittsrede vor dem Parlament in Vilnius (Seimas) an, eine "aktive Präsidentin" sein zu wollen und ihre verfassungsmäßigen Rechte bei Bedarf auch einsetzen zu wollen.

In Litauen hat das Staatsoberhaupt unter anderem die Möglichkeit, die Regierung aufzulösen und Gesetze wirksam zu blockieren. Besonders erwähnte Grybauskaite Missstände im Justizsystem: "Als ich durch Litauen reiste, begegnete ich vielen Menschen, die von den Gerichten schwer enttäuscht waren. (...) Ich sah viel Empörung über doppelte Maßstäbe - eine Art Justiz für einfache Menschen und eine unterschiedliche für einflussreiche Gestalten". Daher werde sie bei der Ernennung von Richtern künftig besonderen Wert auf deren Integrität und Aufrichtigkeit legen, so die 53-Jährige laut einer Abschrift der Rede durch die litauische Nachrichtenagentur ELTA.

Kritik an Wirtschaftpolitik

Im Hinblick auf die herrschende Wirtschaftskrise rief die bisherige EU-Haushaltskommissarin in ihrer vom Staatsfernsehen übertragenen Rede zu einer Stärkung von kleinen Unternehmen und Familienbetrieben auf. "Lasst uns ohne oligarchische Monopole und undurchsichtige Transaktionen leben", lautete einer ihrer Appelle an Abgeordnete und Bevölkerung.

Seitenhieb auf Vorgänger

Grybauskaite nahm auch zu außenpolitischen Fragen Stellung: "Gute Beziehungen mit unseren Nachbarn (Polen, Russland, Weißrussland und Lettland, Anm.) waren immer und werden immer eine Top-Priorität in unserer Außenpolitik haben". Sie rief zu einer "ausgewogenen" Außenpolitik auf und konnte sich anschließend einen offensichtlichen Seitenhieb auf ihren Vorgänger Valdas Adamkus nicht verkneifen: Der "starke und beständige Schutz" der Interessen Litauens solle künftig die "imaginären Führerschaft im Euro-Atlantischen Raum" ersetzen.

Adamkus, der einen Großteil seines Lebens im US-amerikanischen Exil verbrachte, hatte sich in internationalen Fragen stets demonstrativ auf die Seite der USA gestellt. Unter anderem war Adamkus eines jener Staatsoberhäupter, die sich im und nach dem Krieg um die georgische Separatistenregion Südossetien vergangenen Sommer bedingungslos auf die Seite der georgischen Staatsführung unter Präsident Mikhail Saakaschwili stellte.

Grybauskaite erwägt, von Ministerpräsident Andrius Kubilius den Austausch einzelner Minister zu verlangen. Kubilius bot dem neuen Staatsoberhaupt noch am Sonntag verfassungsgemäß den Rücktritt seiner Regierung an. Grybauskaite betraute ihn und die restlichen Kabinettsmitglieder vorerst kommissarisch mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte.

Unmittelbar danach bestellte die 53-Jährige zwei Kabinettsmitglieder, Arbeits- und Sozialminister Rimantas Jonas Dagys sowie Energieminister Arvydas Sekmokas, für Montagnachmittag in den Präsidentenpalast. Bereits nach ihrer Wahl vor knapp zwei Monaten hatte Grybauskaite angedeutet, Mitte Juli einen Regierungsumbau erzwingen zu wollen.

Wackelnde Stühle

Neben den beiden genannten Regierungsmitgliedern dürften auch Wirtschaftsminister Dainius Kreivys, Gesundheitsminister Algis Caplikas und Justizminister Remigijus Simasius auf wackeligen Stühlen sitzen. Diese Ressorts hatte Grybauskaite seit ihrer Wahl am 17. Mai bei verschiedenen Gelegenheiten und so auch am Sonntag in ihrer Amtsantrittsrede kritisiert.

Bereits vor der Vereidigung der neuen Präsidentin hatten die vier Regierungsparteien um eine mögliche Neuverteilung der Ressorts innerhalb der Koalition gestritten, angesichts des Amtsantritts Grybauskaites am Sonntag aber ihr Koalitionsversprechen demonstrativ erneuert.

Litauen muss laut Internationalem Währungsfonds (IWF) sowie nach Einschätzung des eigenen Finanzministerium 2009 mit einen Wirtschaftsrückgang von 16-18 Prozent rechnen. Die Arbeitslosigkeit des Landes betrug zuletzt 14,3 Prozent (Mai 2009). Litauen kämpft derzeit gemeinsam mit seinen beiden baltischen Schwesterrepubliken am meisten von allen EU-Staaten mit der herrschenden Wirtschaftskrise. Alle drei Länder erwarten für 2009 ein zweistelliges Wachstumsminus. (APA)