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Efraim Zuroff vom Wiesenthal-Zentrum hofft weiter auf eine Anklage Kumpfs.

Foto: REUTERS/Gil Cohen Magen

Wien - Es klingt nach einem schlechten Nachkriegskrimi. Der Hauptdarsteller: ein ehemaliger KZ-Wächter, der Jahrzehnte nach Kriegsende in Österreich landet. 84 Jahre alt, pflegebedürftig, von den USA ausgewiesen und staatenlos. In den Nebenrollen: Mitarbeiter des Innenministeriums, des Landes Vorarlberg, Caritas-Vertreter und eine Wiener Familie, die bloß einen Mieter suchte.

Eine seltsame Besetzungsliste, findet der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser. Denn eigentlich müsste ein Staatenloser gleich behandelt werden wie Asylwerber, also staatliche Grundversorgung erhalten. In diesem Fall lief alles anders. Wieso, will Steinhauser nun mittels parlamentarischer Anfragen an Innen- und Justizressort wissen. "Sehen Sie es als Ihre Aufgabe Ihres Ministeriums an, die Schirmherrschaft für mutmaßliche Kriegsverbrecher zu übernehmen?" , fragt er Innenministerin Maria Fekter (ÖVP). Von Justizressort will er wissen, ob Kumpf "ausgeliefert werden kann" .

Angefangen hat die seltsame "Wanderschaft" des Josias Kumpf, für die nun niemand verantwortlich sein will, im März 2009, als er in Wien-Schwechat landete. Ausgewiesen aus den USA. Kumpf war Mitglied der SS-Totenkopfdivision im deutschen Konzentrationslager Sachsenhausen und später in Polen im Lager Trawniki (in dem tausende Menschen erschossen wurden) stationiert. Ob er in dieses Verbrechen tiefer verstrickt ist, bleibt unbeantwortet - denn Kumpf braucht in Österreich aufgrund von Verjährung (er war damals minderjährig) keinen Prozess zu fürchten - vielleicht in Spanien, aber auch das ist offen.

Zuerst taucht er in einem Spital in Vorarlberg auf, einige Zeit später wird er über Nacht nach Wien zurücktransportiert. Dort mietet eine angebliche Maklerin für den Staatenlosen, wie es später heißen wird, eine "kleine Wohnung". 1000 Euro Miete monatlich und in einem Wiener Nobelbezirk gelegen - die Kaution von mehreren Monatsmieten wird bar hinterlegt. Die Caritas organisiert eine 24-Stunden-Pflege. Warum, fragt Steinhauser in seinen Anfragen, bekommt ein früherer KZ-Wächter eine "VIP-Behandlung" durch den österreichischen Staat? Und wer zahlt das?

Ministeriumskontakte

"Unser Auftrag hat gelautet, die Pflege zu organisieren, Auftraggeber war das Land Vorarlberg. Dafür liegt auch eine Rechnung vor", sagt Caritas-Generalsekretär Stefan Wallner. Das Innenministerium sei nicht unmittelbar involviert gewesen, das Land habe aber von einer Refinanzierung der Kosten durch das Ministerium gesprochen. Der Vorarlberger Gesundheits-Landesrat Markus Wallner (ÖVP) bestätigt immerhin, dass es "jedenfalls Ministeriumskontakt gegeben hat". So sei etwa die Überstellung nach Wien auch in Absprache erfolgt, sagt er vom Standard darauf angesprochen. Eine Sichtweise, die im Innenministerium auf Verwunderung stößt. Dort heißt es nämlich: "Wir haben keine Zuständigkeit", sagt Sprecher Rudolf Gollia. Man habe die Einreise fremdenpolizeilich administriert, "ab da hat das Ministerium nicht mehr mit ihm zu tun gehabt". Und weiter: "Mir ist keine Stelle im Ministerium bekannt, die eine Vereinbarung zur Übernahme irgendwelcher Kosten getroffen hat."

Als das Land jedenfalls die Zahlung an die Caritas einstellt und die Vermieterin Kumpf aufgrund dessen dunkler Vergangenheit delogieren will, bricht das System zusammen. Letzte bekannte Station Kumpfs: das AKH. "Diese Form der kollektiven Unzuständigkeitserklärungen ist mir noch nie untergekommen", sagt Caritas-Generalsekretär Wallner. Laut Profil stellt Wien nun bei Gericht einen Antrag auf Bestellung eines Sachwalters.

Efraim Zuroff vom Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem und Leiter der "Operation letzte Chance", die NS-Kriegsverbrecher sucht, hofft, dass es noch zu einer Anklage in Spanien oder Polen kommt. Österreichs stellt er ein schlechtes Zeugnis aus: Über Jahre habe das Land gezeigt, dass es keinen politischen und rechtlichen Willen gebe, NS-Kriegsverbrechen strafrechtlich zu verfolgen. Im Gegenteil: "Es wurde jede Anstrengung unternommen, es so schwierig wie möglich zu machen, derart Kriminelle vor Gericht zu bringen" , findet Zuroff. ZumFall Kumpf sagt er lediglich: "Vielleicht werden Sie ihn in eines der schönen Schlösser bringen?" Das Geld, das für dessen Sonderbehandlung aufgewendet worden ist, "hätte man besser dafür ausgeben sollen, die letzten NS-Kriegsverbrecher zu finden und anzuklagen, bevor es zu spät dafür ist". (Peter Mayr, DER STANDARD, Printausgabe, 13.7.2009)