Die Frage ist berechtigt: "Schon wieder ein neues Hitler-Buch?" heißt es zu Beginn. Die Antwort wird mitgeliefert: "Es kann gar nicht genug Hitler-Bücher geben." Jede Generation, jede Zeit brauche "ihren eigenen, neuen Zugang", schreibt der Historiker Gerhard Jagschitz in seinem Vorwort. "Unberufene Schreiber" hätten "oft ein virtuelles Hitler-Bild geschaffen, das mit der historischen Realität kaum mehr etwas zu tun hat und das ständig zurechtgerückt und entmythisiert werden muss".

Das Buch "Unser Hitler - Die Österreicher und ihr Landsmann" von Martin Haidinger und Günther Steinbach beschränkt sich nicht nur auf die Person des Führers, es zeichnet auch die Lebensumstände in dieser Zeit nach - und erörtert die Frage, warum so viele Österreicher Nationalsozialisten wurden. "Wer immer auch gegen Einmarsch und Anschluss war oder sein mochte, hat sich, während all dies geschah, nicht dagegen gewehrt", schreibt Haidinger. "Der Adolf? Der war für uns einfach ein leiwander Kerl, ein toller Typ", erinnert sich etwa ein mittlerweile 90-Jähriger an seine Zeit in der Hitler-Jugend. Und er gewährt Einblick in seine verstörende Denkungsart: "In Wirklichkeit waren wir ja eine Demokratie! Eine Partei hat SA geheißen, eine andere SS, dann die politischen Leiter. Die haben genauso gestritten wie die Parteien."

Das Buch bekommt seine Stärke durch die Mischung aus erzählten Fakten, Zeitzeugenerinnerungen und Deutungsversuchen der Autoren. Eine Schwäche: Der Verlag hat sich ein ordentliches Register erspart, ein Fehler, der in einer zweiten Auflage behoben werden könnte. 

Österreich im Jahr 2009: Schmieraktion an der Gedenkstätte des KZ Mauthausen, Nazi-Pöbeleien bei einer Gedenkveranstaltung im KZ Ebensee sowie ein markanter Anstieg der Anzeigen rechtsextrem motivierter Straftaten zwischen 2006 und 2008. Die im Buch anfangs gestellte Frage, warum es wieder ein neues Hitler-Buch gibt, kann wohl auch so beantwortet werden: weil es notwendig ist. (Peter Mayr, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 16. Juli 2009)