B. B. King (83) hat den Blues. Immer noch und immer wieder, fühlt er sich doch so verdammt gut an.

Foto: Robert Newald

Wien – Dass er sich von den existenzialistischen Formen des Genres längst hin zum Wohlstands-Blues entwickelt hatte, machten schon die Rahmenbedingungen klar. B. B. King, der letzte große Blues-Musiker der Generation von John Lee Hooker, Muddy Waters oder Howling Wolf, gastierte am Freitag im großen Juke Joint des Wiener Konzerthauses. Das bedeutete im Saal wie auf der Bühne feines Tuch, Prosecco vor dem Konzert und pflichtbewusstes Jazz-Klatschen nach diversen Soli der achtköpfigen Begleitband.

Im Zentrum des Geschehens saß der 83-jährige gutmütige Riese mit seiner Gitarre "Lucille" und ließ diese weinen, jubilieren – oder pausieren. Nämlich wenn der als Riley B. King nahe dem Kaff Indianola im US-Bundestaat Mississippi Geborene zu singen begann und G'schichtln druckte. Denn schnell wurde klar: King ist ein ebenso überzeugender Storyteller wie Gitarrist. Zwar überstrapazierte er da sein Alter beziehungsweise das seiner Mitstreiter als Thema doch etwas, andererseits: Wenn einer das darf, dann Blues Boy King.

Zumal nicht damit zu rechnen war, ihn noch einmal auf einer heimischen Bühne zu erleben. Hatte er doch 2006, mit 80, seinen Rückzug bekanntgegeben. Im Vorjahr erschien jedoch One Kind Favor, ein von Produzent T-Bone Burnett überwachtes neues Album, das für King offenbar der Anlass war, seinen Ruhestand zu unterbrechen – auch wenn er kaum Stücke aus dem sehr guten Album spielte.

Nach zwei Aufwärmrunden, die lediglich von der Band bestritten wurden, führte man King in den Saal: Standing Ovations, während derer er – davon angetan – Platz nahm und erklärte, warum er sitzen würde: "Bad knee, bad back and the head no good either." Doch spätestens Let The Good Times Roll ließ diverse Unpässlichkeiten vergessen. Daran änderte auch das Eingeständnis Everyday I Have The Blues nichts.

Sogar der Blind-Lemmon-Jefferson-Klassiker See That My Grave Is Kept Clean wurde live zum Happy-Go-Lucky-Schunkler, die ausgestellte gute Laune also schon auch ein wenig übertrieben. Ansonsten bot King eine Greatest-Hadern-Show, die stellenweise in elegant-swingenden Rhythm 'n' Blues überführt wurde, den der vierköpfige Bläsersatz in zurückhaltender Art veredelte. Da träumte man sich kurz Bobby "Blue" Bland dazu, einst Kings Chauffeur und von diesem dazu ermutigt, selbst Sänger zu werden, was neben diversen Meilensteinen auch zwei Live-Alben gemeinsam mit King zeitigte.

Hingegen wirkte seine Deutung der inoffiziellen Hymne des US-Bundesstaats Louisiana, You Are My Sunshine aus der Feder von Jimmie Davies, wie ein Schuss ins (ohnehin schon lädierte) Knie. The Thrill Is Gone, die ewige Weltnummer Kings, überzeugte hingegen auch bei ihrer geschätzten 78.423. Aufführung noch mit Wehmut und anhaltender Würde. Gleichzeitig strafte es jene Skeptiker Lügen, die meinten, der Song beziehe sich längst schon auf Kings eigenes Werk. (Karl Fluch, DER STANDARD/Printausgabe, 20.07.2009)