Beschwernis einer Jugend ohne klar gezogene Grenzen: Stevie (Céci Chuh) in Pia Marais' Film "Die Unerzogenen".

Foto: ARD

Die 14-jährige Stevie (Céci Chuh) führt ein Leben, das nicht zur Ruhe kommt. Ihr Vater Axel (Birol Ünel) ist Drogendealer und deshalb immer bereit zum nächsten Sprung. Das Bedürfnis des Kindes steht diesem hektischen Lebensstil entgegen - ein wenig mehr Beständigkeit wäre gut, ein Freundeskreis, den man nicht dauernd aufgeben müsste.

Pia Marais' Debütfilm Die Unerzogenen, der unter anderem auf dem Linzer Filmfestival Crossing Europe prämiert wurde und am Montag erstmals ausgestrahlt wird (ARD, 22.45), erzählt von einem Dasein abseits gesellschaftlicher Normen. Die deutsche Regisseurin, Tochter eines Schauspielers aus Südafrika und einer schwedischen Mutter, hat sich an die Erfahrungen ihrer eigenen unsteten Kindheit gehalten; im jazzigen Rhythmus nähert sie sich den Konflikten einer Heranwachsenden an, deren Freiräume schlicht zu groß sind - und die gerade deshalb von ihren Altersgenossinnen auch neidvolle Blicke erntet.

In einem Haus mit Garten findet Stevie zwar vorübergehend zu einem geordneteren Dasein. Ingmar (Georg Friedrich in einer ungewohnt sanften Rolle), ein Freund ihres Vaters, interessiert sie, an ihm testet sie vorsichtig aus, wie sie auf Männer wirkt. Aber auch diesmal liefert der allzu legere Umgang der Eltern mit Sex, Alkohol und Crack so viel Grund zum Anstoß, dass sie sich mittels Fotomontagen eine ganz andere Familie ausdenkt.

Marais' Film ist, Christian Petzolds "Die innere Sicherheit" vergleichbar, auch eine Form der Revision von 68er-Attitüden, die über kein politisches Fundament mehr verfügen. Der Film stilisiert so auch kein Außenseitertum, sondern entwirft das Geschehen mit unberechenbarem, nie moralisierendem Blick. Widerspenstigkeit, das ist in "Die Unerzogenen" keine Form von Rebellion, sondern ein Mittel, das Chaos zu glätten. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD; Printausgabe, 27.7.2009)