
Große Augen machen Fischlarven und auch die Forscher: Auch nah verwandte Arten kommen sich nicht in die Quere.
Speisefische sind Kosmopoliten: So stammt etwa unser Weihnachtskarpfen aus Asien. Er kam mit den Römern in unsere Breiten, wo er bereits im Mittelalter die Grundlage einer florierenden Teichwirtschaft bildete. Auch der Räucheraal aus dem Neusiedler See kommt hier nicht aus freien Stücken vor: Im Unterschied zum Karpfen kann er sich auch nicht selbstständig fortpflanzen und musste deshalb immer wieder neu besetzt werden - bis seine Aussetzung vor wenigen Jahren verboten wurde.
In den Salzkammergutseen sind die häufigsten Fische die zu den Forellenfischen gehörigen Reinanken oder Renken und ihre Verwandten. Die Art gehört zur wirtschaftlich sehr bedeutenden Gruppe der Coregonen, die seit Jahrzehnten durch den Menschen in neue Gewässer verbracht werden. In den Salzkammergutseen wird seit dem Zweiten Weltkrieg vor allem die aus Polen stammende Maräne ausgesetzt, die der Reinanke zum Verwechseln ähnlich sieht und auch genauso schmeckt, aber im Ruf steht, rascher zu wachsen.
An sich ist eine Art dadurch charakterisiert, dass sich ihre Mitglieder mit den Angehörigen einer anderen, auch nah verwandten Art nicht fortpflanzen können. Bei Arten, die noch nicht allzu lange voneinander isoliert sind und sich zudem unter normalen Umständen gar nicht treffen könnten, weil sie in verschiedenen Seen vorkommen, muss das jedoch nicht unbedingt so sein. Was passiert, wenn so nahe verwandte Arten durch menschlichen Eingriff zusammenkommen? Verdrängen sie einander, halten sie Abstand oder vermischen sie sich, bis nur noch eine "Zwischen-Art" überbleibt?
Dieser Frage gehen Josef Wanzenböck vom Institut für Limnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Mondsee und Kollegen von der Universität Graz mit Unterstützung des FWF seit einigen Jahren nach. Sie untersuchten die Coregonen des Mond- und des Hallstätter Sees und entwickelten genetische Marker, um die einheimischen von den ausgesetzten Fischen eindeutig zu unterscheiden. Die darauf aufbauenden Untersuchungen erbrachten gute Nachrichten: Die beiden Arten koexistieren offenbar friedlich. Kreuzungen kommen zwar vor, sind aber selten, sodass es auch nach 50 Jahren Besatzmaßnahmen noch große Populationen von ursprünglichen Reinanken gibt.
Den Grund dafür fanden die Forscher im Fortpflanzungsverhalten der Fische: Die meisten Coregonen laichen im Herbst oder Winter. So ist sichergestellt, dass die Jungfische im Frühjahr schlüpfen, wenn die meiste Nahrung im See vorhanden ist. Welche Faktoren genau die Eiablage auslösen, ist jedoch unklar. Eine entscheidende Rolle könnte die Tageslänge spielen.
Wie Wanzenböcks Gruppe im Labor nachweisen konnte, beginnen die eingebürgerten Maränen mit dem Laichen, wenn der Tag nur noch rund neun Stunden dauert, was im frühen November der Fall ist. Die ursprünglichen Reinanken hingegen fangen erst mit der Eiablage an, wenn die Tageslänge nur noch acht Stunden beträgt oder schon wieder im Zunehmen ist, also rund einen Monat später. Möglich ist aber auch, dass die Temperaturverhältnisse im See den Anstoß für das Ablaichen geben. Der unterschiedliche Zeitpunkt dürfte jedenfalls dafür verantwortlich sein, dass sich die beiden Arten kaum vermischen.
Es gibt auch Unterschiede zwischen den Reinanken verschiedener Seen: Mithilfe der genetischen Marker konnten die Forscher Reinanken aus dem Hallstätter See deutlich von solchen aus dem Mondsee unterscheiden. Diese genetische Vielfalt ist sowohl für den Naturschutz als auch für die Fischerei von Interesse. Denn niemand weiß, ob verschollene Gene nicht noch gebraucht werden: Sei es, dass sie wirtschaftlich erwünschte Eigenschaften tragen, sei es, weil sich die Umwelt und das Klima ändern. (strn/DER STANDARD, Printausgabe, 29.07.2009)