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Eine Schwangerschaft verlangt ihren Tribut.

Foto: AP/Hermann J. Knippertz

Userin Martina F. hat mit jeder Schwangerschaft eine Schuhnummer dazu gewonnen und sieht mit Größe 41 jeder weiteren Schwangerschaft eher skeptisch entgegen.

Die Änderung der Fuß- und damit auch der Schuhgröße ist eine Folgeerscheinung der Wassereinlagerung während der Schwangerschaft. Viele schwangere Frauen kennen dieses Phänomen. Ödeme an Zehen, Knöcheln und Beinen machen neun Monate zu einer beschwerlichen Zeit. Die Ursachen dafür sind bekannt.

Hydrostatischer und onkotischer Druck

Der Austritt von Flüssigkeit aus den Blutgefäßen hängt im Wesentlichen vom hydrostatischen und onkotischen Druck ab. Zwei Kräfte mit ganz gegenteiliger Wirkung: Während der hydrostatische Druck den Wasseraustritt induziert, sorgt der onkotische dafür, dass das Wasser in den Kapillaren bleibt. Im unschwangeren wie gesunden Zustand befinden sich diese beiden Komponenten im Gleichgewicht, was in der Praxis bedeutet: Die Beine sind in der Regel nicht geschwollen, denn nur ein geringfügiger Teil der Flüssigkeit verlässt die Gefäße.

Im Verlauf von neun Monaten vollzieht der weibliche Körper eine Reihe Veränderungen, die diesem Gleichgewicht allerdings eher abträglich sind. Zum einen erschwert die wachsende Gebärmutter den venösen Abfluss über die Hohlvene in die unteren Extremitäten. Daraus resultiert ein erhöhter Druck in den Beinvenen, dem das so genannte hydrostatische Ödem folgt. Nicht ganz unbeteiligt an dieser Geschichte ist die Tatsache, dass das schwangere Gefäßsystem immerhin ein Mehrvolumen an Blut von bis zu zwanzig Prozent bewältigen muss. Mehr Blut erzeugt seinerseits wieder mehr Druck in den Gefäßen. Irgendwann sind die Gefäßwände den einwirkenden Kräften nicht mehr gewachsen und Flüssigkeit tritt in das umliegende Gewebe aus.

Progesteron reduziert Spannkraft

Ganz nebenbei unterstützt Progesteron diese Entwicklung. Während der zweiten Hälfte der Schwangerschaft wird das Gelbkörperhormon vermehrt von der Plazenta produziert. Es dient dazu die Schwangerschaft aufrecht zu erhalten, indem es die Elastizität des Gebärmuttergewebes erhöht. Eine Wirkung die sich auch an den Venen manifestiert. Sie verlieren ihre Spannkraft. Krampfadern und erhöhte Durchlässigkeit sind die unangenehmen Begleiterscheinungen. Das steigende Körpergewicht gesellt sich dazu.

Was den erwähnten onkotischen Druck angeht, tut sich im schwangeren Organismus ebenfalls einiges. Mit dem Fortschreiten der Schwangerschaft nimmt Frau zunehmend mehr Eiweiß auf und scheidet im Gegenzug immer weniger davon aus. Mediziner reden von einer positiven Stickstoffbilanz, die primär dem ungeborenen Nachwuchs zugute kommt. Aus dem vielen Eiweiß bilden sich nämlich wichtige Zelleiweiße für das Kind. Im Blut der Frau sinken indessen bestimmte Eiweißanteile, was wiederum zum Austritt von Wasser aus den Gefäßen führt.

Schlaffer Bandapparat

Eine hochkomplexe Geschichte, die folgende Theorie beinahe banal erscheinen lässt:
Ligamente sind schuld an den wachsenden Füßen. Sie erschlaffen während der Schwangerschaft und sorgen dafür, dass die Füße auch nachhaltig größer bleiben. Relaxin erzeugt diesen Effekt. Das Polypeptidhorm wird während der Schwangerschaft von Gebärmutter und Plazenta produziert. Es entspannt die Schambeinfuge, den vorderen Kontaktpunkt der beiden Beckenhälften und bereitet damit das Becken auf eine erleichterte Geburt vor. Bird et al. fanden bereits 1982 eine zunehmende Laschheit der Fingergrundgelenke bei schwangeren Frauen. Von einer ähnlichen Wirkung in den Fußgelenken kann man also ausgehen.

Tendenz Spreizfuß

Einer der sich mit wachsenden Füssen intensiv auseinandergesetzt hat, ist Johannes Christian Hentschel. „Form- und Größenveränderung des Fußes während der Schwangerschaft" lautete der Titel seiner Dissertation. Mit einer klinischen Studie gelangte der deutsche Mediziner zu folgenden Untersuchungsergebnissen: Schwangere Frauen besitzen die Tendenz zur Spreizfußbildung. Ob die Messungsergebnisse allerdings auf eine Weichgewebezunahme (Muskel-, Fett-, Faser- und Stützgewebe, Anm. Red.) oder aber auf der Erschlaffung der Ligamente durch Hormone wie Relaxin beruhen, lässt er offen. Fakt ist, der Spreizfuß kommt durch eine Senkung des Quergewölbes im Vorfußbereich zustande und sowohl eine Muskel- und Bänderschwäche, als auch eine rasche Gewichtszunahme, begünstigen diesen Prozess. Das erklärt warum Füße während der Schwangerschaft breiter werden. Der Grund für einen bleibenden Anstieg der Fußlänge bei schwangeren Frauen bleibt aber weiterhin ungelöst. (Regina Philipp, derStandard.at, 30.08.2009)