Foto: Arte

Abgefilmtes Theater ist eine zweischneidige Angelegenheit: Hervorragende Produktionen können auf der Mattscheibe öd und leer wirken, während mediokre Aufführungen dank guter Bildregie unerwartet Wirkung erzielen. Mit derlei Trugbildern musste man den ganzen Juli lang auf Arte nachsichtig umgehen. Der deutsch-französische Kultursender hatte nämlich das ganze Monat lang sein weltberühmtes provencalisches Theaterfestival in Avignon in "exklusiven" und dichten Liveberichten gehätschelt. 

Jeder Reisemuffel, der weder das schneidig heiße südfranzösische Klima sucht, noch auf Spektakel suchende Touristenmassen scharf ist, und auch die Gelegenheit schätzt, zwischendurch vom Theater wegzuzappen, war zuhause gut bedient. Unter diesen Bedingungen wirkte ein sein Publikum bei den Wiener Festwochen noch erdrückender Tragödienmix namens (A)pollonia in der Arte-Übertragung plötzlich als ideenreiche Collage. Glück gehabt!

Mit Johan Simons‘ Kasimir und Karoline hat der Sender seine Avignon-Sause am Mittwochabend beendet. Im Ehrenhof des Papstpalastes schleuderte sich das in Horváths Drama von Geld- und Liebesnot eingeholte Paar Wörter unaufhaltsamer Entzweiung entgegen.

Bis zu den Schrauben des eifrig bekletterten großen Bühnengerüstes führte einen die TV-Kamera heran. Man sah grandiose Schauspielergesichter in Großaufnahme und schnelle Dialogschnitte. Irgendwann aber geriet all das zu einem René-Pollesch- oder Frank-Castorf-Erlebnis. Deren Regiehandschrift zeichnet sich durch intensiven Kameraeinsatz aus. Das TV macht sie gleich. Da könnte sich Johan Simons nun bedanken - oder auch nicht. Man kann es in Antwerpen live überprüfen. (Margarete Affenzeller, DER STANDARD; Printausgabe, 31.7.2009)