Eine Expertenrunde erörterte diese Fragen. Moderation: Peter Illetschko.
STANDARD: Die Weltbank veröffentlicht jährlich ein Ranking, das Aufschluss darüber gibt, wie leicht es ist, Unternehmen zu gründen. Im letzten war Österreich auf Platz 104 von 181. Sind die oft zitierten Faktoren Zeitaufwand und Kosten für die Gründung die Ursachen für diesen miserablen Platz?
Schibany: Ich möchte die Faktoren Kosten und Zeit nicht überbewerten. Das ist bei weitem nicht mehr so aufwändig, wie es einmal war, und erklärt nicht, warum es in Österreich unterdurchschnittliche Gründungsaktivitäten im akademischen Bereich gibt. Andere Faktoren spielen eine größere Rolle. Da fehlt es schon am intellektuellen Anreiz, den man braucht, um ein Unternehmen auf die Beine zu stellen. Den kriegen Jungunternehmer an Unis kaum.
Hammerschmid: Von den Universitäten kommt insgesamt zu wenig Motivation, ihre Start-ups unterstützen zu wollen. Es gibt kein Anreizsystem. Dieser Befund wird noch verstärkt durch intransparente Regelungen, wie Universitäten mit den Patenten umgehen. Das ist an den Unis unterschiedlich geregelt, in manchen Fällen müssen Gründer weniger mit bürokratischen, finanziellen Hürden kämpfen als mit jenen der Stamm-Uni.
Ritter: All das geschieht nicht, weil wir keine Kultur der Firmengründungen haben. Das würde heißen, dass man scheitern darf. In Österreich ist das nicht so. Wer scheitert, hat Probleme, seine Karriere an den Unis fortzusetzen. Auch die Frage der Patente sollte vereinheitlicht werden, da gebe ich Ihnen 100-prozentig recht. Gründern müssen die Patente mitgegeben werden. Es ist schon schwierig genug, ein Unternehmen zu gründen – wenn es da noch derartige Abhängigkeiten gibt von den Unis, tut man sich sehr schwer.
Swetly: Ich muss diese Runde schon um etwas Geduld bitten. In einer Zeit, als in den USA Ausgründungen an Universitäten schon selbstverständlich waren, also in den 1970er-Jahren, durften Österreicher nicht einmal ausländische Aktien kaufen. Wir haben hier einen Obrigkeitsstaat abzubauen, was die finanzielle Gestaltungsmöglichkeit betrifft. Auch in den Universitäten selbst, wo erst seit 2004 mit dem Universitätsorganisationsgesetz 2002 die Möglichkeit besteht, sich an Ausgründungen zu beteiligen. Wir können noch nicht weit sein. Aber der Prozess ist eingeleitet.
STANDARD: Eingeleitet wohl, aber er wird sicher durch die Finanzkrise stark gebremst. Gibt es da konkrete Erfahrungen?
Hammerschmid: Wir haben bisher 2009 aufgrund der Krise und der ohnehin existierenden Zögerlichkeit des "Österreichers" weniger gute Gründungsprojekte. Wir hatten ein sensationelles Jahr 2008, die Zahlen sind heuer jedoch rückläufig – mit Ausnahme der Creative Industries. An der Schnittstelle zwischen Technologie und Design herrscht offenbar noch mehr Gründermut. Auch müssten die Fördergeber in wirtschaftlich schlechten Zeiten verstärkt Risiko mittragen – nicht nur in der Gründungsphase.
STANDARD: Das heißt, die Politik tut sich schwer, gerade jetzt aktiv zu werden? Soll sie mehr Geld als bisher in die Gründerphase stecken?
Hammerschmid: In der Gründungsphase haben wir dank BMWFJ und BMVIT ausreichende Mittel. Aber damit ist es nicht getan. Diese Unternehmen arbeiten forschungsintensiv und mit viel Risiko. Es dauert schon fünf bis zehn Jahre, bis ein Produkt auf den Markt kommen kann. Und diese Phase muss überbrückt werden, was nicht ausschließlich mit Venture-Capital geht. Die meist internationalen Investoren sind sehr erpicht darauf, flankierende Maßnahmen der öffentlichen Hand zu sehen. Damit haben wir zurzeit ein Problem.
Schibany: Vielleicht gehen wir mit dem Thema Risiko falsch um. Das zeigt sich jetzt besonders, weil Gründungen natürlich prozyklisch sind und Risikoaversion vorherrscht. Da wäre der Staat gerade jetzt besonders gefordert.
Swetly: Was gerade jetzt gebraucht wird, ist eine Projektbegleitung im Sinne eines Mentorings. Menschen, die irgendwann einmal auch Gründer waren, sollten coachen. Es gibt sicher erfolgreiche Ausgründungen in Österreich, etwa Intercell oder Affiris, die müssten herangezogen werden. Und ich muss auch sagen: In Österreich ist der politische Mut nicht da. Ich habe noch keinen Politiker hierzulande gesehen, der das Wort antizyklisch in den Mund nahm und ein Konzept parat hatte.
STANDARD: Wie müsste das Konzept denn ausschauen?
Schibany: Die steuerliche Förderung wäre ein hervorragendes Mittel, sie ließe sich im Fall von Start-ups auch erhöhen auf 15, möglicherweise auf 20 Prozent, und nicht auf zwölf Prozent für alle, wie es die Systemevaluierung vorschlägt. Das kostet nicht die Welt. Die besprochene Frage der Patente sollte einheitlich gelöst werden. Die Gründeraktivitäten in einer Förderagentur, die Projektförderung in der anderen bündeln. Da gäbe es einiges zu tun. In jedem Fall die Krisenzeit nützen, um Rahmenbedingungen zu schaffen.
Hammerschmid: Ich orte schon Interesse. Wissenschaftsminister Johannes Hahn hat mehrfach gefragt, was er seitens der Uni-Politik tun könnte, um Start-ups zu forcieren. Es gilt bei den Universitäten nachzujustieren. Sie müssten Verwertung per se, und nicht nur Start-ups, als drittes Standbein neben Forschung und Lehre sehen. Dazu müsste man auch Lehrpläne ändern. Wie in den USA sollte jeder Naturwissenschafter ein paar Semester wirtschaftliche Ausbildung dranhängen.
Ritter: Das könnte er, indem er an den Unis diesen Strukturwandel unterstützt. Die angesprochenen Coaches würden den Mut von Absolventen, sich mit einer Idee selbstständig zu machen, schon fördern. Das sollte im Leistungsportfolio aufgenommen werden.
Swetly: An der Veterinärmedizinischen Universität haben wir das eingeführt. Wir geben den Jungunternehmern Zeit, ihre Idee zu verwirklichen, lassen sie Räume und Geräte benützen, entbinden sie von Verpflichtungen. Die Vetmed fungiert als Inkubator. Dafür will die Uni einen bescheidenen Anteil am Unternehmen. Keine Sperrminorität, deutlich darunter. Das wäre ein Bleifuß, wenn die Uni mit Vetorecht im Start-up sitzt.
STANDARD: Jungunternehmer haben nicht immer ein positives Image, gerade im akademischen Bereich. Da haftet oft der Gedanke "gescheitert an der Uni" am Bild. Was kann man da tun ?
Ritter: Es geht doch eher darum, zu demonstrieren, warum jemand ein Unternehmen gründet, und nicht, dass er etwas nicht geschafft hat. Es geht darum, die eigenen Ideen verwirklichen zu können.
Hammerschmid: Diese Aufgabe sollten auch die Unis wahrnehmen. Diese hätten die Pflicht, schon in der Ausbildung zu vermitteln, dass Unternehmertum sexy sein kann und eine gute Alternative zur wissenschaftlichen Laufbahn darstellt. Auch für einen Physiker oder Biologen. Wer Unternehmer ist, muss noch lange kein schlechter Wissenschafter sein. Er/Sie ist im besten Fall am Markt erfolgreich und hat in seinem/ihrem Fach eine ausgezeichnete Expertise. (DER STANDARD, Printausgabe, 05.08.2009)