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Bis Mittwochmittag war die Merkur-Filiale in Krems wegen der Spurensicherung geschlossen. In der Nacht hatten zwei Beamte einen 14-jährigen Einbrecher auf frischer Tat ertappt und erschossen.

Foto: REUTERS/Paul Plutsch

Warum die erfahrenen Polizisten ihre Dienstwaffen zückten, blieb offen. Die Burschen waren unbewaffnet.

Krems – Warum haben zwei erfahrene Polizisten auf zwei unbewaffnete jugendliche Einbrecher gefeuert? Weder die ermittelnde Staatsanwaltschaft Krems noch Beamte der Landespolizei Niederösterreich, die den Tatort sicherten, konnten (bisher) erklären, wie es in einem Supermarkt in Krems zu den Schüssen kommen konnte. Der 14-jährige Florian wurde mit einem Schuss in den Oberkörper getötet, wie am Abend bekannt wurde, wurde er im Rücken getroffen. Sein 16-jähriger Komplize liegt mit Durchschüssen an beiden Oberschenkeln im Landeskrankenhaus Krems.

Auf einer Pressekonferenz Mittwochmittag in St. Pölten gaben die Ermittler erste Details zum Tathergang bekannt. In der Nacht auf Mittwoch wurde um 2.28 Uhr in dem Supermarkt der stille Alarm ausgelöst. Die beiden Jugendlichen sollen zunächst versucht haben, die hintere Eingangstür aufzubrechen, was ihnen offenbar nicht gelungen sei. Daraufhin hätten sie den Rollbalken einer Laderampe aufgezwängt und damit den Alarm ausgelöst, erklärte Friedrich Kutschera, Sprecher der Staatsanwaltschaft Krems.

Die Polizei habe eine Streife zu der Filiale geschickt, führte Roland Scherscher vom Landespolizeikommando weiter aus. "Bei dem Kontrollgang durch den Markt ist es gegen 2.55 Uhr zu einem plötzlichen Kontakt mit den Tatverdächtigen und zur Abgabe von Schüssen gekommen", meinte er. Ein Projektil sei bereits gefunden worden. Es habe "sehr hoch oben" eingeschlagen, eventuell könne es ein Warnschuss gewesen sein. Fest stehe zudem, dass beide Beamten, ein Mann und eine Frau, gefeuert hätten. "Wer getroffen hat, weiß ich aber nicht", sagte Kutschera.

Diese Frage soll in einer Waffengebrauchserhebung geklärt werden. Das Innenministerium hat dem Landespolizeikommando Oberösterreich den Auftrag erteilt, zu prüfen, ob der Waffeneinsatz der Beamten aus Krems gerechtfertigt war. Laut Waffengebrauchsgesetz aus dem Jahr 1969 ist der Einsatz nur zulässig, wenn weniger gefährliche Maßnahmen oder verfügbare gelindere Mittel ungeeignet scheinen oder wirkungslos sind. Außerdem muss er vorher deutlich angezeigt werden. Niemals dürfe eine Waffe zum Töten verwendet werden. Der "mit Lebensgefährdung verbundene Waffengebrauch" sei laut Gesetz nur "im Falle gerechter Notwehr" zulässig. Im Fall Krems, so der Staatsanwaltschaftssprecher, waren die beiden Burschen im Sinne des Waffengesetzes nicht bewaffnet. Die Jugendlichen hätten lediglich Schraubenzieher und Gartenhaue in ihren Händen gehalten.

Beamte psychologisch betreut

Ob sie die Beamten damit attackiert hätten, wusste Kutschera nicht, da die Polizisten bis Mittwochnachmittag noch nicht befragt werden konnten. Sie wurden psychologisch betreut. Dem 16-jährigen Einbrecher – laut Staatsanwaltschaft ebenso wie der getötete 14-Jährige vorbestraft – gehe es den Umständen entsprechend.

Zur Schießerei sei es laut Spurensicherung vor dem Fleischlagerraum gekommen. Die Verdächtigen hätten sich dort in einer dunklen Nische versteckt. Verstärkung hätte die Streife jedenfalls nicht angefordert. Beide Beamte galten als erfahren. An den seit 2005 verpflichtenden Weiterbildungen – vier Mal im Jahr Schießtraining – hätten sie regelmäßig teilgenommen, versichert Scherscher: "Umso mehr bedauern wir den Ausgang dieses Vorfalls, der genau untersucht wird", richtete er den geschockten Angehörigen der Schussopfer aus.

Das Büro von Innenministerin Maria Fekter teilte mit, dass es "jetzt vordringlich darum geht, die genauen Umstände des Vorfalls aufzuklären." Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz ist "erschüttert". Sollten die Fakten stimmen, dass sich "ausgebildete Polizisten gegen Jugendliche mit einem Schraubenzieher nicht anders zu helfen wissen als sie zu erschießen, dann schreit dies geradezu nach weitreichenden Konsequenzen." Dazu komme, dass die Liste derartiger Vorfälle immer länger werde. Allein 2008 wurden in Niederösterreich bei zwei Polizeieinsätzen die Verdächtigen erschossen. (Kerstin Scheller, DER STANDARD Printausgabe, 06.08.2009/red)