Ein Lächeln für die Kamera, als käme es von Audrey Hepburn: Penélope Cruz als wandelbare Filmikone - und Blickfang aller Männer in Pedro Almodóvars "Zerrissene Umarmungen".

 

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Pedro Almodóvar: "Ich reflektiere meine größten Ängste."


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Wien - Filme geben die Leidenschaften ihrer Macher nicht immer gleich preis. In Pedro Almodóvars Zerrissene Umarmungen (Los abrazos rotos) gibt es für diese Behauptung gleich mehrere Beispiele. Da wäre einmal der knallbunte Film im Film, er heißt Mädchen und Koffer und erinnert frappant an Almodóvars eigenes grelles Frühwerk Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs aus dem Jahr 1989.

Ein Regisseur namens Mateo Blanco (Lluís Homar) hat ihn vor 14 Jahren gedreht. Es sollte sein Meisterwerk werden, doch aufgrund seiner Leidenschaft zur Hauptdarstellerin Lena (Penélope Cruz), einer regelrechten Amour fou, verlor er das Recht auf den "final cut": Was dann im Kino davon übrig blieb, war ein Werk aus lauter falschen Takes - der Racheakt des Produzenten, der sich um seine Frau Lena betrogen sah.

Das zweite Beispiel ist ein Making-of ebenjenes Films, den der Sohn des Produzenten gefertigt hat: Zu einer Hälfte das Dokument eines Eiferers, der gierig auf die Welt des Kinos blickt, zur anderen eine Spionageaktion, durchwirken auch diesen Film die unterschiedlichsten Begehrlichkeiten.

Gibt es eine gültige Wahrheit hinter all diesen widerstreitenden Gefühlen? Almodóvar hat sich zum Ziel gesetzt, einen Film über die lange Nachwirkzeit verschütteter Leidenschaften zu drehen - und über die Manipulationen, derer sich Menschen in ihrem Bann bedienen. Von solch großen Posen und Gesten gibt es im Kino freilich zahllose - Almodóvar kennt wohl die meisten und stellt seine bevorzugten in kunstvollen Arrangements aus. So wird Zerrissene Umarmungen zur cinephilen Ausgrabungs- und Wiederinstandsetzungsstätte: Zu den (selbstreflexiven) Filmen gruppieren sich Bilder, die wiederum auf andere (Film-)Bilder zurückverweisen - zu viele, um sie an dieser Stelle zu nennen.

"Letztlich reflektiere ich in diesem Film meine größten Ängste, meine ältesten Obsessionen und mein eigenes Filmemachen", erzählt Almodóvar im STANDARD-Gespräch. Der Regisseur Blanco, der mittlerweile unter dem Pseudonym Harry Caine - welch ein Name! - Geschichten schreibt, ist eine Art ironisches Alter Ego des spanischen Filmemachers. Aber anders als er selbst ist Caine, der seine Lebensgeschichte als tragische Liebesgeschichte erzählt, jemand, der alles verloren hat - und nun ein unfertiges Kapitel abschließen muss.

"Zerrissene Umarmungen ist mein bescheidenes , eine Mischung aus Stilen, Filmen und Zeiten, bei der gelegentlich am Set niemand mehr wusste, welcher Zeitpunkt in der Geschichte gerade gekommen war." Der Film vereint so auch Elemente unterschiedlichster Genres, des Melodramas, des Thrillers, der Komödie, vor allem des Film noir. Letzterem entstammt die fatale Dreieckskonstruktion, die die Figuren in einer wechselseitigen Abhängigkeit hält: "Für mich eignet sich der Film noir besonders, die verheerenden Seiten der Macht zu thematisieren. Er ist gesellschaftskritisch, weil er zeigt, was eine feindliche Umgebung aus dem Einzelnen macht. Und er hat viel mit dem Melodrama gemein, weil er extreme Gefühle veranschaulichen hilft."

Puffer für Gefühle

Dennoch wirkt Zerrissene Umarmungen bei aller Kunstfertigkeit in seinem Innersten ein wenig hohl. Der Film beschwört die Macht großer Gefühle, spielt sie aber mit unerwarteter Zurückhaltung aus, oder er wahrt Distanz, indem er Puffer wie komische Brechungen dazwischenschiebt: "Für mich ist der Film deshalb nicht weniger emotional - zumindest sind alle möglichen Gefühle darin enthalten. Aber im Unterschied zu Volver ist dies kein Film, der einen zum Weinen bringen wird."

Als Almodóvar mit den Schauspielern probte, stand er daher vor einem ganz anderen Problem: "Die Darsteller hatten am Beginn jeder Szene feuchte Augen. Mir ging es aber darum, diese Tränen zum Trocknen zu bringen. All die Figuren haben nämlich ihr Leid schon ausgeschüttet - allerdings Jahre zuvor. Ich würde daher sagen, Zerrissene Umarmungen ist eher ein bewegender als ein emotionaler Film. Das ist weniger angenehm, denn Tränen haben auch etwas sehr Beruhigendes, sie entspannen einen."

Penélope Cruz, eine der Lieblingsschauspielerinnen Almodóvars, ist der weibliche Faun in diesem Illusionstheater, sie vermag verrucht wie Marilyn Monroe, dann wieder unschuldig wie Audrey Hepburn zu wirken - und bleibt bei all dem eine tragische Figur, dem Unglück ausgeliefert: "Ich fand Penélope nervöser als früher", so Almodóvar: "Sie vertraut mir so sehr und hegt eine so große Leidenschaft mir gegenüber, dass sie manchmal total ängstlich wurde. In solchen Momenten musste ich ihr Mut zusprechen: 'Du bist nicht nur gut genug, ich muss hochspringen, um dich in deiner Höhe zu erreichen.'"

So sind zumindest die Leidenschaften des Pedro Almodóvar ziemlich offensichtlich. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 7.8.2009)