Mithilfe winziger Materialproben wurden die Farbpigmente der Madonna mit Kind (Auvergne, 12. Jahrhundert) identifiziert.

Foto: The Metropolitan Museum of Art

New York - Wenn Maler heute auf der Suche nach roter Farbe sind, wenden sie sich ganz einfach an den Fachhandel für Künstlerbedarf. Vor Hunderten von Jahren experimentierten sie dagegen mit Pflanzen und Insekten: Krappgewächse etwa lieferten einen helleren, Kermes- und Cochenilleschildläuse den als Karminrot bekannten Farbton.

Marco Leona von der Forschungsabteilung des Metropolitan Museum of Art (New York) entwickelte nun eine neue Methode, um ebendiese organischen Farbpigmente auf bis zu 4000 Jahre alten Kunstwerken und Textilien zu analysieren, wie die Online-Ausgabe des US-amerikanischen Wissenschaftsmagazins PNAS berichtet. Die Verwendung bestimmter Farbarten kann auf Zusammenhänge zwischen einzelnen Objekten oder auch auf Fälschungen hinweisen sowie über antike Handelsrouten Aufschluss geben.

Im Rahmen der Farbpigmentanalyse stießen die Forscher auf das bisher früheste Vorkommen von Krapprot auf dem Fragment eines 4000 Jahre alten Lederköchers aus Ägypten. Dies ist insofern bedeutsam, als zur Farbherstellung aus Pflanzen oder auch Insekten beträchtliches chemisches Wissen erforderlich ist. Auf der Morgan-Madonna, einer französischen Statue aus der Auvergne des 12. Jahrhunderts, entdeckte man einen dem Karminrot ähnlichen südasiatischen Insektenfarbstoff, dessen Verwendung in Europa bisher erst ab dem 15. Jahrhundert dokumentiert war. Der Farbstoff dürfte von Indien über Nordafrika von katalanischen und provenzalischen Händlern eingeführt worden sein.

Die von Kunsthistorikern bisher vor allem für die Untersuchung von anorganischen Farbpigmenten angewandten Methoden - etwa die Hochleistungsflüssigkeitschromatografie (HPLC) - sind zur Erforschung organischer Pigmente weniger geeignet. Hierbei sind für die Analyse aufgrund der geringen vorhandenen Konzentration größere Stichproben erforderlich. Bei Textilien ist es zwar möglich, Fasern von einigen Millimetern Länge zu entnehmen, bei Gemälden und mehrfarbigen Skulpturen müssen sich Forscher jedoch auf mikroskopische Fragmente beschränken.

Marco Leona aber gelang es, organische Farbstoffe auf Proben zu identifizieren, deren Durchmesser kleiner als 25 Mikrometer ist - das Drittel einer Haarbreite. (Natalie Bachl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11. August 2009)