Als Spezialist für Unterdrückung und militärischer Dilettant glaubt Saddam Hussein, er kann den Krieg gewinnen. Im Straßenkampf will er Bagdad von Haus zu Haus verteidigen - als neues Stalingrad.
Aber es ist eine Illusion zu glauben, dass die Bürger von Bagdad das Regime verteidigen werden. Die Straßenkämpfe werden jene Elitetruppen führen müssen, die von Anfang an Hauptzielscheibe für US-Luftangriffe sind.
Diese Elitetruppen werden nicht in markierten Baracken auf die Bomben warten, und sie könnten versuchen, in der Zivilbevölkerung unterzutauchen. Aber Panzer und Artilleriegeschütze lassen sich nicht in Wohnhäusern verstecken.
Saddam kann sich auf die 16.000 Mann der Speziellen Republikanischen Garde verlassen. Unklar ist, wie viele der bis zu 30.000 Mitarbeiter der fünf Sicherheitsdienste zum Straßenkampf bereit sein werden. Weiters stehen dem Regime 15.000 Mann der Saddam-Fedajin, 150.000 Männer und Frauen in der Miliz der Baath-Partei zur Verfügung.
Aber Straßenkämpfe erfordern mehr Training und bessere Führung als der Kampf auf offenem Feld. Selbst in der Schlacht von Stalingrad brach die Arbeitermiliz gleich am Anfang zusammen. In Saddams Geheimdiensten gibt es Beamte und Henker, aber wenige ausgebildete Soldaten. Die Saddam-Fedajin sind meist Dorfschläger, die sich in Bagdad kaum auskennen.
Unsichere Garden
Die Spezielle Republikanische Garde gilt als loyal. Sie wird vor allem von Saddams eigenem Stamm rekrutiert, ist gut bezahlt und gekleidet. Aber auch sie wird Saddam nicht blindlings folgen. Einige von ihnen wurden in den vergangenen Jahren wegen Verrats hingerichtet - und nicht immer unschuldig.
Auch die 100.000 Mann der allgemeinen Republikanischen Garde ist besser trainiert und bewaffnet als die übrige Armee. Einige Divisionen leistete im letzten Golfkrieg 1991 Widerstand gegen die US-Armee. Aber es gelang ihnen weder, ihre Stellungen zu halten, noch den angreifenden Truppen Verluste zuzufügen.
Die Hälfte der Garde ist leicht bewaffnet und hat genug Infanterie für Straßenkämpfe, der Rest aber besteht aus Panzerdivisionen, die durch Präzisionsbomben leicht getroffen werden können.
Bagdads leidende Bevölkerung besteht mehrheitlich aus Schiiten und Kurden. Sie wird kaum ungerührt bleiben, wenn amerikanische und britische Truppen anrücken. Doch solange die Menschen fürchten, dass Saddam überleben und sie bestrafen wird, wird es keinen Volksaufstand geben. Eine Jagd auf Informanten und Folterer könnte allerdings das Leben für Saddams Anhänger schwer machen.
Dennoch wird es nicht leicht sein, den Diktator zu stürzen. Es sind 500 Kilometer von Kuwait nach Bagdad. Deshalb werden zwei Luftdivisionen direkt bei Bagdad landen und sich dort mit den aus Kuwait kommenden Panzerkolumnen zu vereinen.
Ohne massive Luftunterstützung wäre die Offensive höchst riskant. Aber auch die "strategischen" Bombardements am Anfang werden die Luftkampagne von 1991 in den Schatten stellen. Zu den Hauptzielen gehören die Baracken und Bunker der Republikanischen Garden und der Geheimdienste die ersten Ziele sein. Was immer auch passiert, der Krieg ist ein Großangriff auf Saddams Henker. (©Project Syndicate/DER STANDARD, Printausgabe, 21.3.2003)