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Emil Breisach
Graz - Ob Emil Breisach einen Tag nach Kriegsbeginn sehr zum Feiern zu Mute ist, bleibt dahingestellt. Zumal der Anlass dazu eher nebensächlich ist: Heute wird er achtzig. Da sein Name schon längst als Synonym für fast alles gilt, was sich in der Steiermark auf dem Gebiet der Moderne getan hat, ist dieses Datum höchstens für Astrologen von Belang.
Am ersten Frühlingstag (in Stockerau) geboren, ist Breisach geradezu ein Parade-Widder: In eckigen Bocksprüngen tanzt er stets aus der Reihe, rempelt und stößt (das Establishment vor den Kopf). Dass er schließlich aber doch erreicht, was er will, dankt er nicht nur seiner bockigen Energie, sondern auch seinem entwaffnenden Charme und seiner überzeugenden Eloquenz.
Gleich zu Beginn seiner Laufbahn kultivierte er diese Eigenschaften im Kabarett - und als Wunschonkel im Radio Graz, der, bevor das Muntere Rehlein erklang, Opas und Onkeln zum Geburtstag gratulierte und mit verbindlich sonorer Stimme empfahl, "nicht zu tief ins Glaserl" zu schauen. Als er 23-jährig Chef der Unterhaltungsabteilung wurde, bestand kein Zweifel: Hier macht ein Kabarettist Karriere. Fehl geraten: So mancher staunte nicht schlecht, als ein paar Künstler, die sich in den Kopf gesetzt hatten, ein baufälliges Kaffeehaus in das Forum Stadtpark umzubauen, 1959 ausgerechnet einen Chefkabarettisten zu ihrem ersten Präsidenten machten.
Die Wahl war richtig. Das Geheimnis von Breisachs vielen kulturpolitischen Siegen besteht in seiner Gabe, nebulose Ideen, die in der Luft liegen, in ein praktikables und für die durchschnittliche Auffassungsfähigkeit der politischen Geldgeber verständliches System zu bringen.
So lag es auch nahe, dass ihn Gerd Bacher 1967 zum Intendanten des Studios Steiermark bestellte. Schon ein Jahr später war die alte Radiovilla in der Grazer Hochsteingasse ein Kulturzentrum von Graden.
Alles, was im literarischen Leben Rang und Namen hatte oder haben sollte, vom greisen Franz Nabl bis zum noch unarrivierten Peter Handke, gab sich im Aufnahmestudio die Klinke in die Hand. Und mit dem von ihm ins Leben gerufenen musikprotokoll gab er 1968 den eigentlichen Ankick zum steirischen herbst.
Alle diese Heldentaten, die Breisach im steten Bemühen vollbrachte, dass Graz nicht Graz wird, und zu denen auch noch die Gründung der Akademie Graz im Jahr 1987 und des seit 1998 erfolgreichen Straßentheaterfestivals La Strada hinzuzufügen wären, machen noch lange nicht den ganzen Breisach. Handelt es sich bei ihm doch um ein Prachtexemplar der raren Spezies einer Kunstamphibie, die sich auf dem trockenen Terrain kühl kalkulierenden Managements gleich wohl fühlt wie im Tiefwasser der praktischen Ausübung. Sowohl als Theaterregisseur (von Václav Havels Gartenfest bis Gerhard Roths Erinnerungen an die Menschheit) wie auch als Dramatiker (Hieronymus und sein Nachbar) und als sensibler Lyriker (Klangstaub). (DER STANDARD, Printausgabe, 21.3.2003)