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Cellistin Teodora Miteva spielt mit Vorliebe in Frauen-Ensembles, unter anderem im Vienna Women Philharmonic Orchestra. Aufgewachsen ist sie in Bulgarien, ihre erste Begegnung mit der Musik hatte sie bereits im Alter von vier Jahren. Seit 1996 studiert die Musikerin bei Valentin Erben, Cellist des Alban Berg-Quartetts, an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Sie ist Mitbegründerin eines Frauen-Quartetts und hat zahlreiche erfolgreiche Solokonzerte im In- und Ausland hinter und vor sich. 2002 nahm sie mit dem ersten Klarinettisten der Wiener Philharmoniker, Peter Schmidl, die CD "Philharmonische Klänge" auf, die am 24. April im ORF erstmals präsentiert wird. Mit die Standard.at sprach sie über Frauenensembles, Gleichberechtigung in der Musik, über Klangfarben und persönliche musikalische Erlebnisse. dieStandard.at: Frau Miteva, Sie spielen in verschiedensten Ensembles, aber größtenteils in reinen Frauengruppen. Hat das einen bestimmten Grund? Teodora Miteva: Es hat sich einfach so ergeben. Am Anfang war es Zufall und später Überzeugung, weil es einfach viele sehr gute Musikerinnen unter den Frauen gibt, mit denen es eine große Freude ist, zusammen zu arbeiten. Man muss einfach nicht aufpassen, fühlt sich unter sich. Ich habe tolle Freundinnen, die fantastische Musikerinnen sind, besonders mit vielen Geigerinnen habe ich schon lange Kontakt. Und wir spielen immer wieder mal gemeinsam, entweder im Quartett oder im Frauen-Philharmonics Orchestra, allerdings immer in anderer Besetzung. Ich bin mit der ersten und zweiten Geigerin gut befreundet und wir haben uns entschlossen, ein Damen-Streichquartett zu gründen - aber nicht, weil wir von vornherein gewollt haben, dass es nur Damen sind, sondern es hat sich so ergeben. Ein Quartett mit einem Herren und drei Frauen ist ein wenig seltsam, es schaut einfach nicht so gut aus auf der Bühne, wenn es nicht symmetrisch ist. Und drei Herren und eine Dame ist auch ein wenig seltsam – also haben wir gesagt, zwei plus zwei oder nur Frauen.

Und wir sind ganz glücklich mit unserer Frauen-Konstellation, denn irgendwie ist es anders. Es ist wie in einem reinen Herren-Streichquartett: Man hat weniger Missverständnisse. Frauen und Männer haben oft eine andere Vorstellung vom zusammen proben und musizieren. Unter Frauen fühlt man sich als Frau lockerer und muss nicht aufpassen, was man sagt, dass man ja nicht jemanden beleidigt. Natürlich ist das bei den Herren auch so. Unter Freundinnen ist es einfach leichter, zu arbeiten.

dieStandard.at: Klingt es anders, wenn nur Frauen zusammen spielen? Teodora Miteva: Genau das kann ich nicht bestätigen. Unter Musikern wird oft gesagt, dass nur die Herren eine gewisse Stärke haben und beim Instrument spielen anders greifen als die Frauen – das ist so eine ungeschriebene Regel, das wird so gesagt unter MusikerInnen: „Okay, sie ist gut, aber spielt trotzdem weiblich.“ Das finde ich nicht, vielleicht war das früher so, aber das hat sich sehr verändert: Es gibt zum Beispiel viele Frauen, die sehr großen Klang haben und sehr laut spielen können. Ich habe jedenfalls keinen Unterschied bemerkt. Es gibt genauso Herren, die „weiblich“ spielen, wie Frauen „männlich“ spielen können. Es ist eine Frage des Körperbaus, der Technik und des Charakters, wie eine Musikerin spielt: große Hände oder kleine, und die Art des Spielens, mit Druck oder Gewicht sind entscheidend – der Klang an sich ist eine rein technische Sache. Für mich gibt es nur gute oder weniger gute MusikerInnen, anders kann ich das nicht beurteilen. dieStandard.at: Was versteht denn jemand darunter, wenn er von „weiblichem“ Musizieren spricht? Teodora Miteva: Unter weiblich spielen verstehen die Herren, die diesen Ausdruck ja erfunden haben, weich und zärtlich und viele meinen, dass eine Frau eben nicht die Kraft besitzt, einen schönen Klang zu produzieren. Ich für mich bin froh, dass ich einen großartigen Lehrer habe, Valentin Erben, Cellist im Alban Berg-Quartett. und dass ich von ihm viel über den Wiener Klang gelernt habe. dieStandard.at: In den großen Orchestern, zum Beispiel bei den Wiener Philharmonikern, gibt es so gut wie keine Frauen. Wie denken Sie darüber? Teodora Miteva: Bei den Philharmonikern ist das große Problem, dass man als Frau anders behandelt wird wie als Mann - ich nehme an, man bekommt mehr Aufmerksamkeit, egal in welcher Hinsicht. Man unterscheidet sich einfach von der Masse. Und deshalb meinen viele Musiker dort, dass Frauen im Orchester das Gesamtbild von Kollegialität ändern können und das stört sie.

Das gibt niemand offen zu, aber das sind meine Eindrücke, die ich durch Gespräche und Erfahrungen mitbekommen haben. Es denken natürlich nicht alle Philharmoniker so, sie sind sogar ziemlich geteilter Meinung: Es gibt einige Herren, die das wunderbar und toll finden, dass Frauen dabei sind und es gibt andere, die das gar nicht schätzen. Ich habe eine CD mit dem ersten Klarinettisten der Wiener Philharmoniker, Peter Schmidl, aufgenommen und das war eine wunderbare Erfahrung, mit ihm zusammenzuarbeiten. In der Zeitung habe ich dafür wieder etwas gelesen, was mich total enttäuscht hat, da stand: „Und schon wieder haben die Philharmoniker bewiesen, was ein Herrenorchester für Qualität bieten kann und wieder wurde die Tradition bestätigt.“

dieStandard.at: Sie spielen auch beim „Gegenpol“ zu den Philharmonikern, beim Vienna Women´s Philharmonic Orchestra. Was schätzen Sie dort? Teodora Miteva: In die Frauenphilharmonie bin ich aus Überzeugung gegangen, dass das ein professionelles, tolles Ensemble ist und weil es nicht viele andere Möglichkeiten gibt, als Frau in einem großen Orchester zu spielen. Ich bin jetzt seit eineinhalb Jahre dabei. Man wird dort nach Können beurteilt und das war für mich sehr wichtig. Und als ich die Dirigentin und Leiterin, Izabella Shareyko, kennengelernt habe, war es für mich von Anfang an ein großes Vergnügen, mit ihr zu musizieren. Ich habe auch im 1. Österreichischen Frauen-Kammerorchester gespielt, und spiele auch jetzt noch hin und wieder mit ihnen, wenn ich Zeit habe. dieStandard.at: Warum denken Sie, kommen Frauen weniger zum Zug, wenn es um die Plätze in den großen Orchestern geht? Teodora Miteva: Ich habe mir da schon oft Gedanken gemacht darüber. Das ist so eine Sache mit den freien Stellen in den Orchestern, da wird oft gedacht, dass sich die Frauen später um die Familie kümmern müssen. Und man meint, wenn die Frau Kinder kriegt, ist es besonders schwer, dann weiter ihren Job gut zu machen. Das könnte also ein Grund sein - dass man aus organisatorischen Gründen Frauen weniger die Chance gibt, weil es für das Orchester teuer ist, wenn die Frau in Karenz geht und man weiter ihr Gehalt bezahlen muss. Ich kann es verstehen, aber nicht nachvollziehen. dieStandard.at: Denken Sie, da ist was Wahres dran, würde das Orchester wirklich darunter leiden? Teodora Miteva: Das kann ich nicht beurteilen, aber ich kenne genug starke Frauen, bei denen das überhaupt kein Problem ist. Zum Beispiel habe ich eine Kollegin, die Geigerin ist, mit 17 Jahren schwanger wurde und sehr gut klar kommt, trotz Kind Wettbewerbe zu gewinnen, Preise zu machen und immer besser zu werden. Wenige haben sie in der Hochschule verstanden, weil sie als sehr talentiert und vielversprechend galt, aber sie schafft das sehr gut. Inzwischen hat sie auch tolle Konzerte und Tourneen als Solistin gemacht. Also wenn man eine starke Persönlichkeit hat, und weiß, mit den Schwierigkeiten umzugehen, dann kann ich mir gut vorstellen, dass man trotz Familie im Orchester sehr gute Leistungen erbringt. dieStandard.at: Und Sie persönlich? Halten Sie eine Musikerinnen- Karriere und Familie generell für vereinbar? Teodora Miteva: Bei mir ist es noch nicht so weit, weil ich mir viel Zeit nehme zum Lernen, aber ich glaube, wenn man die Möglichkeit hat, abzuwarten, dann soll man das ausnutzen. Ich will aber natürlich einmal Kinder und Familie haben. Familie heißt nicht, dass man aufhören muss: Wenn man viele Aufträge hat und gut verdient, kann man sich immer Kinder leisten. Ich bin mir ganz sicher, dass das möglich ist. dieStandard.at: Sie sagten, Sie nehmen sich Zeit, um zu lernen – was streben Sie denn an? Teodora Miteva: Ich möchte nach der Magisterarbeit, vor der ich jetzt stehe, unbedingt noch den Doktor machen und Musikwissenschaft studieren. Ich möchte mir noch Zeit nehmen, weil ich die nur jetzt habe. Praktisch hat man viele Möglichkeiten, zu spielen, Konzerte und auch solistisch, Wettbewerbe und Vorspiele, aber sich in der Theorie weiterzubilden, das ist schwieriger, denn als KonzertfachmusikerIn bekommt man davon nicht so viel mit. Man lernt die Theorie zwar auf der Uni, aber als Nebenfach. Und besonders wissenschaftlich möchte ich mich weiterbilden. Es wird jetzt auf der Hochschule auch ein Studium für Kammermusik geben und ich hoffe, dass ich mit dem Streichquartett noch viel mache, damit ich dann dieses Studium absolvieren kann. Weiterbildung ist für mich einfach sehr wichtig. Deshalb kann ich mich noch nicht für Probespiele entscheiden und deshalb ist meine Meinung über Orchester auch subjektiv. Man kann nie auslernen und wenn man hungrig nach Wissen ist, ist es gut, weiterzulernen. dieStandard.at: Wie ist es denn mit der Gleichberechtigung bei Wettbewerben? Teodora Miteva: Das ist überhaupt eine andere Geschichte. Da kommt es drauf an, wer in der Jury sitzt, welcher Schüler bei welchem Lehrer ist, das ist eine eigene Welt. Musik ist keine Mathematik, da kann man nicht sagen, es war richtig oder falsch, deshalb sind die Entscheidungen sehr subjektiv und es ist eine Frage des Geschmacks. Es gibt bestimmte Grundregeln wie Intonation oder fehlerfreies Spiel, und die Musik muss den Noten entsprechen, aber dann kommt der Stil oder die Schule dazu. Und es braucht natürlich Persönlichkeit: Wenn man keine Persönlichkeit hat, dann hat man sowieso keine Chance als Solist, denn es gibt schon so viele Leute, die wunderbar spielen und technisch perfekt sind, viel üben und unterstützt werden – wenn man sich nicht irgendwie unterscheidet, hat man überhaupt keine Chance. Talent alleine reicht in der Musik nicht aus, um etwa zu erreichen, aber das ist unter MusikerInnen ohnehin bekannt. Aber ich will mich nicht beklagen und jammern, weil ich ohnehin von Gott gesegnet worden bin - mit großen Händen und Talent und tollen Lehrern. Natürlich ist es schwer, aber ich gebe nicht auf und mache weiter und schauen wir mal, wie weit ich komme... dieStandard.at: Wann haben Sie denn das erste Mal in einem größeren Ensemble gespielt? Teodora Miteva: Meinen allerersten Kontakt mit Orchester hatte ich mit 14 Jahren in Bulgarien im Schulorchester, da mussten wir ein Programm einstudieren und da spielte die heutige Starviolinistin Vanessa Mae: elfjährig als Solistin in einem bonbonrosa Kleid. Sie ist rausgekommen und hat das Tschaikowsky-Violinkonzert wunderbar gespielt und wir duften begleiten. Das war ein tolles Erlebnis – das ist nämlich ein technisch irrsinnig schwer zu spielendes Konzert, mit dem sogar langjährige MusikerInnen oft noch Probleme haben. dieStandard.at: Denken Sie, dass es Musikerinnen in anderen Ländern leichter haben? Teodora Miteva: In Bulgarien etwa ist es überhaupt kein Problem, wenn die Frau sehr talentiert ist. Meine Lehrerin dort ist Solocellistin in meiner Stadt und war auch im Kommunismus als Solistin engagiert. Sie ist eine tolle Frau und hat mir von Kind auf beigebracht, sehr viel in meine Musikerinnenkarriere zu investieren und sehr viel zu üben. Sie ist eine Powerfrau – sie hatte das, was mann „männliches“ Spiel nennt: Sie hat einen sehr männlichen Klang ;-) dieStandard.at: Warum ist es denn eigentlich gerade das Cello als Instrument geworden? Teodora Miteva: Mit vier Jahren habe ich Geigenunterricht von meiner Mutter bekommen, die auch Musikerin ist, aber ich wollte nicht im Stehen üben. Ich wollte lieber Klavier lernen, aber meine Mutter hat gesagt, das bringt kein Geld nach Hause später - und so ist es dann eben das Cello geworden. dieStandard.at: Haben Sie das tägliche viele Üben als Kind als sehr hart empfunden? Teodora Miteva: Ich hatte eine sehr strenge, aber im Nachhinein gesehen, fantastische Lehrerin und ich bin ihr heute dankbar, dass sie so streng war. Aber üben mochte ich als Kind gar nicht. Einmal hatte ich eine Woche lang nicht geübt, den Cellokasten nicht einmal aufgemacht. Und als sie mich in der nächsten Stunde fragte, wie es gelaufen ist, sagte ich, gut - da hat sie mich auf der Stelle wieder nach Hause geschickt: Der Bogen lag die ganze Woche bei ihr... dieStandard.at: Wie gehen Sie persönlich denn mit Kritik um? Teodora Miteva: Wissen Sie, was Karajan gesagt hat? - „Es ist egal, ob die Kritiken gut oder schlecht sind - Hauptsache, man steht in der Zeitung.“ Schlechte Kritik ist auch Werbung, dann kommen die Leute, weil sie neugierig sind.

dieStandard.at: Was sind Ihre Ziele, was möchten Sie noch erreichen?
Teodora Miteva: Kreative Arbeit! Ich habe schon einiges gemacht und es wird jedes Jahr mehr. Es kommen tolle Sachen und Konzerte auf mich zu. Ich möchte ein abwechslungsreiches Leben führen und etwas machen, das mit Kreativität zu tun hat, möglichst mit dem Cello natürlich und es wäre toll, zu unterrichten oder kammermusikalisch tätig zu sein. Das fasziniert mich.

Das Interview führte Isabella Lechner.