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"Dies wird ein Feldzug, der keinen Vergleich in der Geschichte hat", sagte der amerikanische Oberkommandierende Tommy Franks bei seinem ersten Presseauftritt im Hauptquartier in Katar am vergangenen Wochenende und hat damit wohl Recht. Der Kriegsverlauf folgt keinem klaren Muster, Truppen und Ziele tauchen auf der Stabskarte auf und verschwinden ebenso schnell wieder. Franks nennt das den "Mosaik-Kriegsplan".
Anders vor allem als im Golfkrieg von 1991 erscheinen Amerikaner und Briten überraschend zögernd: Verglichen mit den Ankündigungen - "etwas von einer Größe, Reichweite und Gewalt jenseits alles Vorstellbaren" (US-Verteidigungsminister Rumsfeld) - und dem eigentlichen Ziel des Krieges, dem raschen Sturz des irakischen Machthabers Saddam Hussein, verzichten sie bisher auf massiven Einsatz von Artillerie und Flächenbombardement. Selbst die Welle von Luftangriffen auf Bagdad seit Freitagnacht, so betonen US-Militärs, würden erstmals ausschließlich mit präzisionsgesteuerten Bomben und Marschflugkörpern durchgeführt - will heißen: Nur militärische Ziele oder repräsentative Gebäude des Regimes würden unter Beschuss genommen.
Eingeschränkte Sicht
Das Bild vom Kriegsverlauf sei keinesfalls komplett, gibt Major Philipp Eder vom Bundesheer zu bedenken. "Wir sehen nur das, was wir sehen sollen, und wir sehen nur dann militärische Erfolge, wenn Briten und Amerikaner denken, es macht - vor allem psychologisch - Sinn."
Deutlich ist jedenfalls geworden, dass die Zweierkoalition bei ihrer Bodenoffensive Städte und Ortschaften umgeht und den Vormarsch auf Bagdad sucht: In das Zentrum von Basra und Nasiriya im Südirak sind die Briten und Amerikaner am Wochenende erst gar nicht eingedrungen; wichtig war ihnen nur, die irakischen Kräfte entlang der Hauptroute nach Bagdad zu überwältigen. "Bypass-System" heißt das nun im Hauptquartier in Katar.
Der Vorteil: Briten und Amerikaner setzen ihre Truppen keinem zusätzlichen Risiko aus, vermeiden aber auch ungewollte Verluste in der irakischen Zivilbevölkerung, was die Weltöffentlichkeit nur noch weiter gegen diesen Krieg aufbrächte, meint Philipp Eder. Der Nachteil: Irakische Soldaten könnten in den Städten weiter aktiv sein. Dies war im Grenzort Umm Kasr der Fall. Vier Tage brauchten die beiden Alliierten entgegen erster Siegesmeldungen, um "pockets of resistance" - "Widerstandsnester" - auszuschalten. Doch die Einnahme des gerade 4000 Einwohner zählenden Hafens war für sie strategisch bedeutsam. "Die Amerikaner sind extrem vorsichtig", glaubt Eder. "Es zeigt, wie schwierig der Kampf in Bagdad erst sein wird."
"Geschickte Iraker"
Nicht erreicht haben die Amerikaner ganz offensichtlich ihr erstes Ziel, Saddam Hussein und die irakische Führung mit gezielten Luftschlägen entscheidend zu destabilisieren. Der Kommandant der US-Air-Force am Golf, Daniel Leaf, musste vielmehr die weiterhin große Wirksamkeit der irakischen Luftabwehr um Bagdad und Tikrit einräumen: Die Iraker seien "sehr geschickt" im Gebrauch der Raketen.
Eine der Lehren, die die Iraker aus dem Golfkrieg von 1991 gezogen hätten, so meint auch Philipp Eder, sei, dass sie die freie Wüste im Süden des Landes gleich den anrückenden Amerikanern und Briten überließen und sich stattdessen wohl um die Hauptstadt eingraben. Offenbar planen Amerikaner und Briten mit drei Divisionen gegen Bagdad vorzurücken. Teile der 3. US-Marineinfanteriedivision waren dabei am weitesten vorangekommen. Die 1. US-Marineinfanterie- und die 1. britische Panzerdivision sollten am Wochenende aufschließen.
(DER TANDARD, Printausgabe, 24.3.2003)